Die Kühle im italienischen Schmelz
Vittorio Grigolo hat seine erste Platte herausgebracht, die sich etwas vollmundig "The Italian Tenor" nennt. Im Januar kommt der Sänger nach München in den Herkulessaal. Ist er der neue Villazón?
Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er im Chor der Sixtinischen Kapelle. Luciano Pavarotti horchte auf, als er den 13-Jährigen als Hirtenknaben in einer „Tosca“ vernahm. Später sang Vittorio Grigolo Crossover und den Tony in Bernsteins „West Side Story“ an der Mailänder Scala.
Im Juni kam der internationale Durchbruch: Seinen Auftritt in Massenets „Manon“ an Anna Netrebkos Seite nannte der Londoner „Guardian“ das „sensationellste Covent-Garden-Debüt seit längerer Zeit“.
Nun hat der Wundermann seine erste Solo-Platte herausgebracht. Sie nennt sich marktschreierisch „The Italian Tenor“. Kraftvollen Gesang wie auf Jonas Kaufmanns Verismo-Platte sollte keiner erwarten: Grigolo ist ein „Tenore di grazia“ mit bläserhaft-heller Stimme. Ein zweiter Villazón kann aus ihm schon deshalb kaum werden, weil diese kühle Färbung mehr die Connaisseure anspricht.
Ein Belcantist, aber kein Mann fürs schwere Fach
„Quando le sere al placido“ aus Verdis „Luisa Miller“ eröffnet die Platte. Wer diese Arie vollsaftig gesungen kennt, dürfte von Grigolos Einsatz der Kopfstimme irritiert sein. Allerdings passt das hier stilistisch durchaus, weil in dieser Musik noch der romantische Belcanto nachklingt.
In diesem Fach hinterlässt Grigolo einen guten Eindruck: Geschmeidig verströmt er Donizettis elegantes „Spirto gentil“ und die großen Szene des Herzogs in Verdis „Rigoletto“, auch wenn bisweilen scharfkantige Akzentuierungen stören. Leider enthält die Platte keine französischen Opern, mit denen der Sänger ebenfalls überzeugen könnte.
Mit Rollen aus dem schweren italienischen Fach begibt sich Grigolo allerdings auf Abwege: „E lucevan le stelle“ aus Puccinis „Tosca“ phrasiert er arg kurzatmig. Und die Stretta aus Verdis „Il Trovatore“ ist ein alberner Kraftakt, mit dem sich Grigolo zumindest vorerst völlig übernimmt.
Robert Braunmüller
„The Italian Tenor“ bei Sony. Grigolo gastiert am 18. Januar 2011 um 20 Uhr im Herkulessaal. Karten Tel. 0180/54818181
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