Sein letzter Film? Die Krimikomödie "Ein Glücksfall" von Woody Allen

Ist ein Intellektueller der bessere Liebhaber? Ist Reichtum letztlich langweilig? Wie weit würde man aus Eifersucht gehen, wenn man alle Möglichkeiten hätte? Es sind klassische Woody-Allen-Fragen. Und wenn der 87-Jährige seinen 50. und vielleicht - wie von ihm angedeutet - letzten Film gemacht hat, erfindet er natürlich das Kino nicht mehr neu. Aber einen verlässlichen, witzigen, gleichzeitig aber fast "Match-Point"-ernsten Film hat er mit "Coup de Chance" - auf Deutsch "Ein Glücksfall" - jedenfalls gedreht.
Auf Japanisch sieht man besser, ob die Schauspieler gut sind
Wie fast immer bei Allen liegt Jazzmusik über seinem Film. Aber sie hat den Swing hinter sich gelassen und ist coolem, einem Miles-Davis-Stil gewichen, der die Handlung vorantreibend begleitet. Und gleich geht es los mit einem Beziehungsdialog in einer scheinbar glücklichen Ehe: auf Französisch. Denn Woody Allen, der in den USA kein Geld mehr für seine Filme auftreiben kann, hat in Paris auf Französisch gedreht. In der Pressekonferenz bei der Premiere in Venedig hatte er erklärt, das sei aber kein Problem gewesen, auch wenn er selbst gar kein Französisch spreche: "Wenn man zum Beispiel einen Film auf Japanisch anschaut, sieht man ja auch viel besser, ob die Schauspieler gut sind, übertreiben oder Kitsch produzieren."
Eine lässige, klassische Allen-Geschichte
Und so hat Allen seinen französischen Cast lässig routiniert eine klassische Allen-Geschichte spielen lassen: Eine junge Frau (Lou de Laâge) ist mit einem smarten, aber zwanghaften Vermögensverwalter (Melvil Poupaud) verheiratet. Er behandelt sie als Trophy-Frau, schenkt ihr en passant auch mal einen Diamantring - damit sie (oder besser er) von der High-Society-Umgebung auf einer der vielen Vernissagen bewundert wird.
Von Kunst versteht er selbst nichts, obwohl seine Frau bei einem Kunstauktionshaus arbeitet. So fragt man sich natürlich: Wieso ist diese eigentlich selbstbestimmte Frau bei so einem Typen gelandet? Weil sie aus einer gescheiterten Ehe kommt und sich als etwas quirligere Frau auf konservative Weise Sicherheit verschaffen will, was auch ihre Mutter (Valérie Lemercier) miteingefädelt hat. Dann trifft sie zufällig ("Ein Glücksfall"?) in der Mittagspause in einem Park auf einen alten Schulkameraden aus New-Yorker Jugendtagen (Niels Schneider). Der war schon immer in sie verknallt und schreibt jetzt in einer Mansardenwohnung einen Roman, weshalb er nach Paris gekommen ist.
Die Eifersucht des Ehemannes - eines leidenschaftlichen Hobbyjägers - führt zu mehreren Toten. Und die Spannung besteht in der Frage, ob die Mordkaskade zu stoppen ist. Denn fast wie in einem Film der Coen-Brüder kommen immer weitere potenzielle Opfer ins Spiel, weil sie der Wahrheit immer näher kommen. Und so besteht der Thrill des komischen Krimis auch in der Frage: Wer kommt wie mit dem Leben davon? Durch einen "Glücksfall", durch einen "Coup de Chance", also Zufall?
Deformiert Geld den Charakter?
Melvil Poupaud spielt den Ehemann perfekt charmant, aber eben etwas unheimlich zu perfekt, und im Glauben mit seinem Erfolg über Recht und Gesetz zu stehen. Denn der Film hat auch Charakterdeformationen durch Reichtum zum Thema: im zwanghaften Verlangen, Zufälle auszuschließen und das Glück unter Kontrolle zu bringen. Im Film steht dafür auch das klassisch lustige Bild der Spielzeugeisenbahn des Mannes.
Figuren wie alte Bekannte
Woody Allen behauptet immer, seine Geschichten dorthin verpflanzen zu können, wo man ihm Geld gibt, um seinen Film zu drehen. Und so merkt man abgesehen von der französischen Sprache und dem Postkarten-Paris, dass Allen das Charaktere prägende Französische nicht interessiert. So ist "Ein Glücksfall" eine allgemeine psycho-soziale Menschenstudie vor gewohnt schöner Kulisse in Paris - wie schon in "Alle sagen I Love You" (1996) oder "Midnight in Paris" (2010). Wie alte Bekannte kommen einem da der illusionslos routinierte, lebensweise Privatdetektiv vor oder das professionelle, aber slapstickartige Auftragsmörderduo.
K: Solln, Leopold sowie City, Rio, Isabella (auch OmU) und Theatiner (OmU)
R: Wody Allen (F, 94 Min.)