Die Königin der Nacht
Pop im Jungbrunnen: Madonnas neues Album „MDNA“ ist erschienen.
Feels like home“ – mit dem letzten Wort von „Like A Prayer“ verschwand sie in einer Rauchsäule im Bühnenboden. Madonnas „Super Bowl Halftime Show“ war, überbordend symbolisch zwischen Ägypten und Satanismus, die Hollywoodversion einer irgendwie schwarzen Messe, inklusiv dem Aufblitzen von M.I.A.s gerecktem Mittelfinger. Ein Fest für Verschwörungsparanoiker im Herzen Amerikas.
„MDNA“ heißt ihr heute erscheinendes neues Album, das bis 26. März auf myvideo.de zu hören ist. Die Songs gut gepolstert zwischen Werbeblöcken von Automobilen bis Muttermilchforschung. Madonna, die material mother, ist eine Vermarktungsmagierin, die mit der Erregung spielt. „Girls Gone Wild“ sollte der erste Song ursprünglich heißen, so wie eine in Amerika recht beliebte Pornoreihe. Unterlassungsklage und Titeländerung: „Girl Gone Wild“. Der Sound: Discobeat, so klinisch präzise wie ein Sezierbesteck. Und ein Text, der unterleibskreisend natürlich das Zauberwörtchen „Fuck“ vermeidet, bei dem in den USA der Vorhang fällt.
Ähnlich geht „Gang Bang“ vor. Ein Titel, der so nicht eingelöst wird. Dafür wird dem Lover hier – bang, bang – der Kopf weggeblasen. Und so sehr man auch an Gangsta-Rap denken mag, zielt die Hölle-Schuld-Thematik eher in Richtung von Killerballaden wie sie schon im Blues über Stagger Lee kursierten. Produziert haben Leute wie William Orbit, der schon auf „Ray Of Light“ mit ihr arbeitete, Martin Solveig oder The Demolition Crew.
Muss man darüber sprechen, ob es für eine 53-Jährige angemessen ist, zum Schinder-Aerobic-Sound als bitchy girl zu turnen? Wie langweilig. Diese Frage ist weit über zehn Jahre alt und hat mit Frau Ciccone, die mittels gnadenloser Selbstdisziplin Madonna als alterslose Kunstfigur geschaffen hat, nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Provokation einer Figur, die nicht unter dem Gesellschaftsdiktat der Würde altert, ist Teil des Konzeptes.
Und wer auf diese Frage wirklich eine Antwort erwartet, der höre „I Don’t Give A“ – ein Angriff auf die konservative Idee eines Familienweibchens, auf das die Business-Woman den Stiefelabsatz setzt. Zusammenfassendes Ergebnis des Textes: „Es gibt nur eine Königin – und das ist Madonna“. Ausklang mit archaischem Carl-Orff-Chor.
„I’m A Sinner“ ist der schärfste Song des Albums. Zum digitalen Bordun-Bass und vor Retro-Beat-Kulisse mit Bläsern werden die Freude der Sünde gefeiert und Maria, Jesus und eine lange Heiligenliste als Retter angerufen. Bis man – uh, huh – unverkennbar bei einem Zitat von „Sympathie For The Devil“ landet. Blasphemisch getönte Heldenverehrung auch in „Superstar“ mit synthetisch durchgemangelter Rock-Gitarre, oder in „Masterpiece“, einem Folksong mit Synthieorchester, der Madonna und Mona Lisa als austauschbare Ikonen erscheinen lässt.
Eingeleitet von einem Keyboard-Banjo tönt die zu Botoxglätte aufproduzierte Madonnastimme „spend you love on me“. Liebe ist fiktives Kapital, dessen harte Währung der Sex ist. „Give Me All Your Luvin’“ mit Nicki Minaj und M.I.A. – schon beim Superbowl vorgestellt, ist dieser Song eine große ironische Nummer, die mit schönster Arroganz Bewunderung einfordert: „Jede Platte klingt gleich. Du musst in meine Welt eintreten“. Madonnas neues Album ist eine fantastische Inszenierung sadomasochistischer Dance Beats im Darkroom der Disco.
Madonna: „MDMA“ (Universal)
- Themen:
- Madonna (Sängerin)