Die Karawane zieht am Klischee vorbei
„Meisterwerke der muhammedanischen Kunst“ – 100 Jahre nach der legendären Ausstellung kombiniert das Haus der Kunst Original-Exponate mit aktuellen Werken aus islamischen Ländern
Verblüffend, wie spielerisch und entspannt das Schwierige daherkommen kann. Das Rezept? Vielleicht muss man einfach den Schneid haben, junge Leute draufloswerkeln zu lassen. Denn die klischeebehaftete islamische Welt und also auch ihre Künste sind uns herzlich schwer geworden im Umgang. Von Fingerspitzengefühl ist ständig die Rede und „political correctness“. Die Lust aufs Thema kann da leicht abhanden kommen. Und genau das ist im Haus der Kunst nicht der Fall – in der neuen Mammutschau „100 Jahre nach der Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst“.
Dabei zeugt das Projekt von einem gewissen Wahnsinn. Die „Kulturtat Münchens im Jahre 1910 schlechthin“, wie die Ausstellung einhellig bejubelt wurde, aufzugreifen und das Thema in die Gegenwart zu übertragen, ist ein schier endloses Unterfangen. Chris Dercon, Direktor des Hauses Kunst, und Kurator Léon Krempel sind durch die „muhammedanischen Lande“ gezogen, haben unzählige Künstler besucht – und am Ende vor allem auf Qualität gesetzt.
Der Humor steckt im Detail
Deshalb kreisen rund um den Zentralraum mit historischen Objekten und Elementen der islamischen Kunsttradition reizvolle, junge Satelliten: Wobei Videos, wen wundert’s, das Medium schlechthin sind. Da heulen Iranerinnen fast um die Wette – beim Vorlesen der unglaublich traurigen Liebesgeschichte von „Chosrou und Shirin“ (Abbas Kiarostami). Juliette Binoche gehört übrigens zur Emotions-Crew. Gleich ums Eck kreiert die Libanesin Mounira al Solh schräg-surreale Bilder, indem sie arabische Sprichwörter in kleine Filme packt. Da kann es schon mal derb zugehen, wenn der Protagonist furzend unter Decken fröstelt.
Erstaunlich, wie gut arabische Buchstaben selbst mit industriellem Design zusammen gehen. Etwa im Plexiglas-Vorhang mit dem märchenhaften Titel „Tausendmal Nein“, bestehend aus wahrscheinlich 1000 „Nein“-Täfelchen. Daneben kommt die „Krone der Schöpfung“ gar nicht gut weg in den comic-frechen Videos und Bildchen von Tala Madani. Die Iranerin lebt vermutlich nicht ohne Grund in den USA.
Natürlich gibt es auch Sperriges, Komplexes oder Selbstkritisches wie das heruntergekommene Flüchtlingslager, mit dem Wafa el Hourani seinen palästinensischen Landsleuten den Spiegel vorhält. Doch im Detail steckt häufig eine gute Portion Humor.
Dabei war der Ausgang vor 100 Jahren ein besonders ernsthafter. Mit rund 3600 Exponaten sollte die Megaschau auf der Theresienhöhe den Rang der islamischen Kunst dokumentieren, fern vom 1001-Nacht-Geklingel. 30 Objekte daraus, Vasen, Teppiche oder Handschriften, sind auch jetzt geschmackvoll in Szene gesetzt, umgeben von feiner ägyptischer Baumwolle. Und über allem thront Allah: 99 Versionen seines Namens auf transparenten Stoffbahnen, die ein – ganz entspannter – Sufimeister aus Algerien entworfen hat.
Christa Sigg
Bis 9. Januar, täglich 10-20 Uhr
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