Die Jazzrausch Bigband mit "Mahler's Breakdown"

Mit der von ihr erfundenen explosiven Mischung von Bigband-Jazz mit Techno-Sound ist die Jazzrausch Bigband bekannt geworden. Dabei wird mitunter übersehen, dass Band-Komponist Leonhard Kuhn (36) auch gerne die orchestrale Klassik einbindet. Bereits 2016 befassten sie sich mit "Bruckners Breakdown". Auch Brahms findet sich in der JRBB-Programmliste. Nun haben sich die Hochdruck-Jazzer erneut einem Klassiker verschrieben: Gustav Mahler. Anders als bei den früheren Klassik-Adaptionen ist es diesmal kein "Best-of" , sondern auf ein zentrales Werk Mahlers konzentriert: auf die 5. Symphonie des Wiener Spätromantikers an der Schwelle zur Moderne.
AZ: Herr Kuhn, gibt es eigentlich so etwas wie zu großen Respekt vor einem Klassiker wie Mahler, um ihn zu bearbeiten?
LEONHARD KUHN: Es ist wie bei einem Dirigenten: Man muss versuchen, den Komponisten und die Komposition zu verstehen. Das Gegenteil wäre, dass ich mich aus Ignoranz darüber lustig mache und Themen nur als Gags oder Spielerei übernehme. Das ist die Gefahr bei einer Übertragung in Techno.
Mahler selbst hat seine 5. Symphonie zig Mal umgearbeitet und beklagt, dass sie "niemand capiert".
Ich habe mir einfach viel Mahler angehört und habe aus Respekt eine komplette Symphonie genommen, statt einzelne berühmte Sätze.
Wie das Adagietto, das man aus Viscontis Verfilmung vom "Tod in Venedig" kennt.
Ist ja auch für sich genommen ein super Song. Aber im Zusammenhang ist es halt noch besser gewürdigt. Und die 5. Symphonie eignet sich gut für das, was wir mit der Jazzrausch Bigband machen: die Tempi - man muss weder Strecken noch quetschen für tanzbare Technobeats. Harmonisch geht diese Symphonie als erste in die Moderne, was mir als Jazzer liegt: verrückte Akkorde, Cluster, moderne Harmonien, freie Tonalität - also das Gegenteil von Mozart, der für mich weiter weg ist.
Aber ein Trauermarsch am Anfang ist jetzt nicht gerade, was man vom Drive der Jazzrausch Bigband erwartet.
Stimmt, Tanzmusik ist fröhlich, aber selbst in meiner Bearbeitung ist es dann halt trotzdem etwas düster.
Wie sind Sie zu Ihrer Musik gekommen?
Über den klassischen Jazz der 50er, 60er Jahre, dann den norwegischen Jazz. Techno klang für mich anfangs mit dem Dauer-Beat alles gleich. Aber wenn man sich einhört, kann man sehr wohl zwischen gut und schlecht unterscheiden. Man spürt, ob der Komponist was zu sagen hat.
Akustisch finde ich die größte Herausforderung, dass man die Hauptmusikgruppe der Klassik - die Streicher - in einer Bigband nicht zur Verfügung hat.
Das ist schwierig. Aber einfach Streicher auf dem Synthesizer abzurufen, ist billig. Saxophone können das klanglich gut abbilden, sind auch beweglich, können Legatolinien. Aber man muss tricksen, weil Saxophonisten atmen müssen. Und wenn bei Mahler 16 Takte durchgehende Sechzehntel stehen, muss man da Pausen machen, in denen die Läufe an einen anderen Spieler übergeben werden.
Mahler hat ja sehr viel Schlagwerk in seinen Orchesterwerken. Könnte man aber Beats zeitweise weglassen - zum Beispiel in so einem fließenden Teil wie dem Adagietto.
Aber wir bleiben ja eine Tanzband.
Wie darf man sich das in der Isarphilharmonie vorstellen.
Auch die bestuhlte Isarphilharmonie wird von uns am Freitag club-ähnlich bespielt und man kann jedenfalls mitgrooven. Daher bleibt auch beim Adagietto der Beat dabei. Aber natürlich ist die Isarphilharmonie kein richtiger Club, sondern vor allem ein bestuhlter Konzertsaal. Und da kann ich mir auch mal vorstellen, die Beats zurückzunehmen, Passagen zum reinen Zuhören zu haben. Aber wir werden die Leute nicht immer auf den Stühlen haben.
Aber was für ein Publikum erwartet man dort?
Auch Leute, die sonst in die Isarphilharmonie gehen und sich Klassik anhören und noch nie in einem Technoclub waren. Aber natürlich kommen auch alle, die uns aus dem Club Harry Klein kennen, also auch ein Feierpublikum, das vielleicht zum ersten Mal in der Isarphilharmonie auftaucht. Natürlich auch Jazzer. Aber das ist ja das Wunderbare.
Jazzrausch Bigband: "Mahlers Breakdown". Das Album erscheint Mitte Oktober bei ACT
Live: diesen Freitag, 15. September, 20 Uhr, Isarphilharmonie, 20 - 38 Euro, Münchenticket