Die Insel der vielen Widersprüche
Man erkennt die Mitglieder dieser verschworenen Anhängerschaft an gelben Aufklebern, die an der Heckscheibe ihrer Autos Jahreszahlen zu ganzen Jahrzehnten komplettieren: Corsica Ferries 2009, 10, 11 etc. Das ist kein Wunder, schließlich ist es nahezu unmöglich, ein einziges Mal nach Korsika zu fahren. Wer dem Zauber der viertgrößten Mittelmeerinsel verfallen ist, kommt immer wieder.
Korsika ist eine Sucht, die auch die Journalistin Jenny Hoch umtreibt. Seit über drei Jahrzehnten, vom Kleinkindalter an, verbringt sie ihre Sommer im gleichen Bergdorf. Ihre „Gebrauchsanweisung für Korsika“ ist eine kompetente und intelligente Liebeserklärung, bei deren Lektüre auch fortgeschrittene Inselkenner noch lernen können.
Die Insel der Schönheit ist vor allem eine Insel der Widersprüche. Das gilt nicht nur für die Natur, die von karibisch anmutenden Strandbuchten bis hin zur schroffen Steinlandschaft um die „Königsberge“ Monte Cinto (immerhin 2706 Meter hoch) und Paglia d’Orba so ziemlich alles bietet.
Die Insel der Starrköpfe
Korsika steht auch für den ewigen Kampf der Inselbewohner nach Freiheit, für die höchste Mordrate Europas (auf die Bevölkerung hochgerechnet) für mythisch starrköpfige Menschen und eine aktive Befreiungsfront (die FLNC), die seit 1980 rund 1000 Villen und 350 Hotelanlagen, Parkhäuser, Einkaufszentren oder andere touristische Einrichtungen in die Luft gesprengt hat – in den Wintermonaten, wenn die Gebäude leer stehen.
„Asterix auf Korsika“ spielt auf unnachahmliche Art und Weise mit den Klischees über die Mentalität der Bewohner und der bekanntesten Produkte (Kastanien, Schweine, und Käse), die literarischen Spuren sind ansonsten aber eher mager – zieht man die Bibliotheken über Korsikas bekanntesten Sohn, Napoleon Bonaparte, einmal ab. Jenny Hoch jedenfalls hat nahezu alles gelesen, was auf Englisch, Französisch und Deutsch über die Insel publiziert wurde und würzt ihre korsische Mentalitäts- und Kulturgeschichte mit Anekdoten aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz.
Dem abgerissenen deutschen Hochstapler Baron Theodor Neuhoff gelang 1736 das Kunststück, sich einen Sommer als König von Korsika feiern zu lassen, ehe er die Insel fluchtartig verlassen musste. Heutigen Touristen rät Jenny Hoch vor allem, zurückhaltend aufzutreten, und sich mit der (politischen) Kultur der Insel zu befassen, wenn man wirklich Kontakt zu den Einheimischen haben möchte. Ihr Buch ersetzt zwar keinen Korsika-Aufenthalt, darf aber künftig nicht im Reisegepäck der Inselfreunde fehlen.
Jenny Hoch, „Gebrauchsanweisung für Korsika“ (Piper, 220 Seiten, 14.99 Euro)
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