Die großen Fragen des Lebens
Sein Arbeitspensum ist für einen Regisseur ungewöhnlich, seine Heimatverbundenheit auch. Marcus H. Rosenmüller drehte in den letzten fünf Jahren sieben Filme. Sein aktuellster, die Culture Clash-Komödie „Sommer in Orange”, läuft seit gestern bei uns im Kino. Darin verschlägt es einige Bhagwan-Anhänger in den 80er Jahren in die oberbayerische Provinz.
AZ: Herr Rosenmüller, können Sie sich selbst noch an diese Zeit erinnern?
MARCUS H. ROSENMÜLLER: 1981 war ich acht Jahre alt. Ich kann mich noch vage an orange gekleidete Leute erinnern. Allerdings habe ich vier Wochen als Austausch-Student in Poona gelebt habe. Direkt gegenüber der Filmhochschule befand sich ein Ashram und ich habe lange überlegt, ob ich dort meinen Abschlussfilm drehe, mich dann aber für etwas anderes entschieden. Damals habe ich mich das erste Mal mit den Sannyasins beschäftigt und zehn Jahre später kam das Drehbuch zu „Sommer in Orange” bei mir auf den Tisch.
Was hat die Attraktivität der Bhagwan-Sekte damals ausgemacht?
Bhagwan hat bestimmte Dinge aufgegriffen und sehr klug behandelt. Die dynamischen Meditationen oder der unverklemmte Umgang mit Sexualität – das hatte eine unmittelbar befreiende Wirkung auf die Menschen. Aber auch das Leben in einer Kommune, das Gemeinschaftsgefühl, das Füreinander-Sorgen hatten eine große Anziehungskraft.
Fast alle Ihre Filme sind aus der Perspektive eines Kindes erzählt. Was fasziniert Sie an dieser Sicht auf die Welt?
Dass man aus dieser Perspektive ganz naiv die großen Weltfragen stellen darf. Und diese Naivität birgt oft sehr viel Wahrheit in sich. Als Kind wächst man in einer Welt von Regeln auf, die man für allgemeingültig hält. Die Eltern machen die Gesetze, die die Weltsicht des Kindes bestimmen. Irgendwann bröckelt das dann. Ich erinnere mich noch genau an das verunsichernde Gefühl, als ich die Kirche und die Religion angefangen habe zu hinterfragen. Und dann merkt man als Kind, wie fragil die Welt ist. Aus dieser Mischung von Angst, Neugier und Eigenverantwortung entsteht ein frischer Blick auf die großen Fragen des Lebens.
Sind in der Sannyasin-Kommune die Kinder vernünftiger als die Eltern?
Die Eltern haben beschlossen, dass sie nicht mehr nach den Regeln leben wollen, nach denen dieses Land funktioniert, und probieren etwas Neues aus. Das ist in ihrem Sinn eine vernünftige Entscheidung. Die Kinder hätten damit kein Problem gehabt, wenn sie in Berlin in der Kommune unter ihresgleichen geblieben wären. Aber mit dem Umzug in das bayerische Dorf sind sie plötzlich in ihrem Anderssein allein, versuchen sich in die neue Normalität zu integrieren und geraten dadurch in einen Zwiespalt.
Hätte es eine Bhagwan-Kommune in der bayerischen Provinz heute weniger schwer?
Die bayerische Provinz ist in den letzten 30 Jahren offener geworden. Da ist die Weltsicht nicht mehr so schwarz-weiß. Das sieht man ja auch an den Wahlergebnissen. Gerade im kulturellen Bereich ist auf dem Lande einiges in Bewegung. In den Dörfern entstehen gute Bands und interessante Theaterprojekte. In der Provinz wird mittlerweile viel experimentiert, weil man auf dem Land mehr Freiräume zum Ausprobieren hat als in der Stadt, wo alles sehr viel teurer ist.
Alle Ihre Filme sind in Bayern angesiedelt.
Für mich hat Film immer etwas mit Heimat zu tun. Dabei geht es weniger um Bayern, als um eine Heimat der Lebenseinstellungen. Mir ist es wichtig, dass man in meinen Filmen meine Einstellung und meine Gefühle spürt. Darüber hinaus gebe ich meinen Geschichten gerne eine regionale Verwurzelung. Durch ein wenig Dialekt wird ein Film gleich viel authentischer. In den USA ist es ja gang und gäbe, dass man im Dialekt dreht. Mir ist es immer wichtig, dass die Region, in der der Film angesiedelt ist, mitspielt.