Die Grammatik des Belcanto
Vesselina Kasarovas umjubelter Arienabend im Herkulessaal
Was für eine Virtuosin! Vesselina Kasarova wärmte sich bei ihrem Arienabend nicht erst mit den üblichen Belanglosigkeiten auf.
Furios stürzte sie sich auf die Bravour-Ariette aus Glucks französischem Orpheus und triumphierte mit einem Koloraturfeuerwerk. Das Schwere klingt bei der Bulgarin immer ganz leicht. Die Register ihres Mezzosoprans gehen bruchlos ineinander über. Am erstaunlichsten aber ist der Umfang ihrer Stimme, den sie in einer großen Kadenz am Ende von „Amour, viens rendre a mon âme“ mit brustiger Tiefe und unangestrengt trompetenhaften Spitzentönen entfaltete.
Auf Glucks Zirkusnummer folgte eine schillernd-facettenreiche Klage des Orpheus. Hier betonte die Kasarova weniger die klassizistische Schlichtheit als die Wurzeln der Musik in barocker Klangrede. In Arien aus Rossinis „Tancredi“ und „L’Italiana in Algeri“ brillierte sie so unangestrengt in der Grammatik des romantischen Belcanto, dass das Publikum aus dem Staunen nicht herauskam. Nur beim Zigeunerlied und der Habanera aus „Carmen“ drohte die Virtuosität in Manierismus umzuschlagen. Die Kasarova deutet Bizets unauslotbar vielschichtige Figur offenbar als tragischeMelancholikerin. Bei ihrem Rollen-Debüt an der Züricher Oper im Juni wird man sehen, ob das auf der Bühne funktioniert. Die vom Bulgarischen Radio- Symphonie-Orchester unter Rossen Milanov mitgelieferte Ouvertüren-Beikost war perfekt auf die Arien abgestimmt. Am Ende stehende Ovationen. RBR
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