"Die Gärten von Bomarzo": Rätsel, Lust und Rückzug

Die Ruhmesgöttin auf der Schildkröte, eine Sirene im Spagat, der weit aufgerissene Höllenschlund, ein Kriegselefant und ein schiefes Haus: Das sind nur ein paar der über 30 bizarren Erscheinungen im "Parco dei Mostri" in Bomarzo. Der Park nahe bei Viterbo ist eine wundersame Anlage, verwandt mit den berühmten Gärten der Renaissance - und doch völlig anders.
Der im 16. Jahrhundert angelegte "Sacro Bosco", der sich über ein wildes Tal erstreckt, inspirierte Salvador Dalì und regte Niki de Saint-Phalle zu ihrem "Giardino die Tarrocchi" an. Längst ist er ein beliebtes Ausflugsziel, dessen tieferer Sinn trotz aller Nachforschungen ein schaurig-schönes Rätsel bleibt. Auch die zahlreichen Inschriften tragen eher nicht zur Klärung bei.
Jetzt hat der Wagenbach-Verlag Hella S. Haasses Buch "Die Gärten von Bomarzo" von 1968 auf Deutsch herausgebracht. Ein Buch für Liebhaber, denn darin nähert sich die niederländische Schriftstellerin (1918 - 2011) ihrem Thema nicht aus kunstwissenschaftlicher Perspektive, sondern grundiert Faszination und Irritation, die er auf sie ausübte, historisch und literarisch.
Die Skulpturen sind unter anderem von Bernardo Tasso und Ariost inspiriert
Damals war die Anlage eingewachsen, verwunschen und schwer zugänglich. Kein Wunder, dass die merkwürdigen Wesen im Wald enormen Eindruck auf Haasse machten. Entstanden mutmaßlich nach dem Sacco di Roma, der Plünderung Roms durch kaiserliche Truppen (1527) und vor der Seeschlacht von Lepanto gegen die Türken (1571) sind weder Auftraggeber noch Bildhauer und Architekt benannt. Fest steht nur, dass Vicino Orsini 1542 Erbe des nahen Schlosses und dazugehörigen Grundbesitzes wurde, auf dem Bomarzo liegt. Seit Sichtung seines umfangreichen Briefwechsels gilt er auch als Auftraggeber der Skulpturen.
Der Sohn aus einer Nebenlinie des römischen Geschlechts der Orsini war mit einer Farnese verheiratet und zog als Soldat mit dem Papst-Nepoten und Kardinal Alessandro Farnese in den Schmalkaldischen Krieg gegen die Prostestanten sowie für Papst Paul IV. gegen Kaiser Philipp II.. Aber die Grausamkeit der päpstlichen Truppen brachten ihn dazu, sich aus dem Militärdienst zu verabschieden.
Da kam Bomarzo als Ort des Rückzuges recht. Orsini wurde Privatier, pflegte den Austausch mit Gelehrten und Künstlern - und die epikureische Philosophie. Sein etwas anderer Paradiesgarten bot frivolen Freiraum für Sinneslust und Gedankenspiele.
Dass die Skulpturen unter anderen inspiriert von Bernardo Tasso und Ariosts "Orlando furioso" sind, zeigt auch Hella Haasse auf. Zwar weicht ihre Kernthese zur Urheberschaft von der neueren Forschung ab: Sie macht plausibel, warum sie bereits Orsino Orsini als Auftraggeber der Figuren vermutet. Wie Vicino war "der Einäugige" ebenfalls mit einer Farnese, nämlich der als Schönheit weithin berühmt gewordenen Giulia, verheiratet.
Für Haasse ist Vicino nur Bauherr der Architekturen im Park
Doch der alte Borgia-Lüstling Rodrigo alias Papst Alexander, VI. hatte nach der durch ihn vollzogenen Vermählung nichts anderes im Sinn, als sich die liebreizende Giulia als Geliebte zu nehmen. Darum war ihm der einäugige Orsino vermutlich in solidem Hass verbunden. Angesichts dieses furiosen Ensembles interpretiert die Autorin den "Heiligen Wald" und legt die Verflechtungen der historischen Persönlichkeiten offen. Für Haasse ist Vicino nur Bauherr der Architekturen im Park: des schiefen Hauses, das inschriftlich seinem Freund Cristoforo Madruzzo gewidmet ist, maßgeblich beim Konzil von Trient als Kardinal und Erzbischof. Und des Tempietto, vermutlich Mausoleum der verstorbenen Ehefrau.
Die Schriftstellerin stellt sich auch bildhaft vor, wie Vicino mit Gefolge durch den Park zog - und dort im Sinne Epikurs Gelage feierte. Die mysteriöse Mehrdeutigkeit war jedenfalls Programm. Doch statt strahlender Göttinnen und Helden findet man eher Unholde und deren Beute: Der "rasende Roland" etwa wirkt wie ein verrohter Barbar, die ruhende Psyche wie das Opfer einer Vergewaltigung. Vor dem Hintergrund seiner gewalttätigen Zeit und ihrer ruchlosen Herrscher, dem Machtkampf zwischen Papst, Kaiser und Adel, geführt nicht nur in grausamen Schlachten, sondern auch mithilfe tödlicher Intrigen und gnadenloser Heiratspolitik, sind diese Figuren im weltabgewandten Garten eines aristokratischen Aussteigers beunruhigend irdisch.
Hella S. Haasse: "Die Gärten von Bomarzo" (Wagenbach, 151 Seiten, 14 Euro)