Die Flaschenpost zieht Kreise

Was tun, wenn China weiter Künstler und Intellektuelle drangsaliert? Tilman Spengler setzt auf Aufklärung und Geduld
Volker Isfort |
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Am Freitag eröffnete Außenminister Guido Westerwelle im Nationalmuseum Peking die Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung”. Zehn Millionen Euro hat Deutschland in diese bislang größte Auslandskunstschau investiert. Die Exponate aus Dresden, Berlin und München sollen zeigen, in welchem Klima der Geist der Freiheit Deutschland eroberte. In China ist vom Geist der Freiheit zur Zeit allerdings ganz besonders wenig zu spüren. So wurde auch der Münchner Sinologe Tilman Spengler, der schon unter Frank-Walter Steinmeier an der Vorbereitung des „Aufklärungs”-Projekts beteiligt war, gar nicht erst zur Eröffnung ins Land gelassen.

AZ: Herr Spengler, ist die chinesische Regierung derzeit besonders unerbittlich gegenüber oppositionellen Gedanken?

TILMAN SPENGLER: Es sieht im Augenblick so aus, als wenn quasi ohne Rücksicht auf Verluste gehandelt würde. Aber es bleibt nach außen rätselhaft, aus welchem Teil der Regierung dieser harte Kurs gesteuert wird.

Was kann in so einem Klima die Ausstellung über die „Kunst der Aufklärung” überhaupt bewirken?

Ich stehe nach wie vor voll hinter diesem Projekt. Für mich ist das Ganze wie eine gigantische Flaschenpost. Wenn es gelingt, dass die Besucher zwischen den Bildern und den Gedanken der Aufklärung Verbindungen herstellen, dann kann so eine Kunstausstellung mit ihrem erklärenden Rahmenprogramm durchaus Kreise ziehen.

Wie sollte der Westen auf die restriktive Politik Chinas reagieren?

Erstens scheint es so zu sein, dass sich durch die neue Macht- oder Vormachtstellung Chinas dort auch ein ganz anderes politisches Selbstbewusstsein gegenüber dem Westen ausgebildet hat. Zweitens müssen wir uns aber auch selbst fragen, ob die Legitimität des Westens im Hinblick auf die Menschenrechte wirklich immer so tadellos ist, wie wir sie immer darstellen, da sind jahrzehntelange Waffenlieferungen an Gaddafi nur ein kleines Gegenbeispiel. Aber in gegenseitigem Umgang kann ich den westlichen Verhandlungsführern nur empfehlen, die eigene Position sehr selbstbewusst zu vertreten

Glauben Sie, dass die harte Haltung der chinesischen Regierung auch mit dem Aufruhr in der arabischen Welt zu tun hat?

Das ist möglich, aber der härtere Kurs der Regierung wurde auch vor der Revolution in Tunesien und Ägypten eingeschlagen. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Premierminister Wen Jiabao innenpolitisch den Übergang seiner Regierung vorbereitet. Man kann die Arbeit einiger mutiger chinesischer Anwälte für Menschenrechte in diesem Kontext gar nicht hoch genug bewerten.

Dennoch: Es gibt seit Monaten keinen Kontakt zu Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und seiner Ehefrau, am Wochenende wurde auch der international renommierte Künstler Ai Weiwei festgenommen.

Das lässt sich – glaube ich – nicht miteinander vergleichen. Ich habe mit Mitarbeitern von Ai Weiwei gesprochen, die mich gebeten haben, momentan nichts über den Fall zu sagen – und daran halte ich mich.

Ihnen wurde das Visum verwehrt und indirekt mitgeteilt, Sie seien „kein Freund des chinesischen Volkes” mehr. Ist das eine Ächtung für die Ewigkeit?

Ich glaube an die Liebe des chinesischen Volkes und an die Weisheit der Regierung. Aber im Ernst: Ich befürchte eigentlich keine Ächtung auf Lebenszeit. Solche Interpretationen unterliegen durchaus Schwankungen: Beim letzten Mal hat es drei Jahre gedauert, bis ich wieder als Teil einer Kulturdelegation akzeptiert wurde und einreisen durfte.

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