Die Erotik des Mikrofons
Am 14. Mai jährt sich sein Todestag zum zehnten Mal: Frank Sinatra, der Entertainer der Superlative. Bis heute ist „The Voice“ lebendig als Vorbild der Crooner.
Wie oft er in den 82 Jahren seines Lebens von Sternenglanz-Höhen in den Staub gefallen und wieder aufgestiegen war, kann man nicht aufzählen. Gerne stilisierte sich Frank Sinatra selbst in Songs und Filmen als den Verlierer, auf dessen Träumen man herumtrampelt, bis er wieder – aus eigener Kraft – als Sieger dasteht. Am 14. Mai jährt sich sein Todestag zum zehnten Mal – und bis heute ist „The Voice“, wie er respektvoll genannt wurde, jener Entertainer der Superlative, der Generationen von „Croonern“ inspiriert: mit seiner stilübergreifenden Phrasierungskunst, dem melancholischen Timbre, dem jazzig coolen Stil, dem erotischen Spiel mit dem Mikrofon, der aufreizenden Lässigkeit. Und dazu gab es immer diese tiefen Augen-Blicke von „Ol’Blue Eyes“.
In den 1940ern löste er mit seinen Performances als erster jenes Phänomen der Massenhysterie aus, das später Elvis Presley, die Beatles oder Stones bis hin zu Frankieboys glühendem Epigonen Robbie Williams kultivierten. Bei Sinatras Konzertserie in New York kippten 1944 tausende junge Mädchen vor Entzückung um. Dazu brauchte Frankie keine sündigen Beckenschwünge, sondern musste nur romantische Lieder singen und schön blau gucken.
Da war der am 12. Dezember 1915 in Hoboken, New Jersey, geborene Sohn armer italienischer Einwanderer schon weit oben im Showbiz. Er wollte Journalist werden, dann gewann er mit seinem Quartett „The Hoboken Four“ 1937 einen Rundfunk-Wettbewerb mit dem Cole-Porter-Song „Night and Day“, bekam Engagements als Leadsänger in den Orchestern von Harry James und Tommy Dorsey, eigene Radioshows, einen Plattenvertrag.
Sinatra war ein widersprüchlicher Charakter, konnte großzügig und ekelhaft sein, sanft und brutal, sozial engagiert und rassistisch. Bereits seit den 40er Jahren hatte er engen Kontakt zu Mafia-Familien und einflussreichen Paten. Die halfen ihm in den 1950ern wieder auf die Beine, als das Publikum sich abwandte. Die Rockmusik war populärer geworden, Sinatra musste nach einer Stimmbandblutung pausieren. Außerdem hatte Hollywood-Star Ava Gardner, eine von vier Ehefrauen und die Liebe seines Lebens, dem berüchtigten Womanizer, der Diven wie die Garbo, die Dietrich und unzählige Starlets beglückte, mit ihren Spielchen das Kreuz gebrochen.
Er soff, wütete und heulte – bis die Freunde von der Mafia dafür sorgten, dass er die Rolle des Soldaten Maggio in Fred Zinnemanns „Verdammt in alle Ewigkeit“ (1953) bekam – und den Oscar dazu sowie ein Entertainer-Comeback von zweifelhaftem Glanz. Denn Sinatra war nun ein Schuldner der Mafia, ein Sänger und Zocker zu ihren Diensten in Clubs und Casinos. In Las Vegas ließ er es krachen mit seinem „Rat Pack“, zu dem Dean Martin und Sammy Davis Jr. gehörten.
Nach einem Herzinfarkt verkündete Sinatra 1971 seinen Rückzug, aber bis 1993 gab es Abschiedskonzerte und Plattenaufnahmen – wie die seiner Hits in Duett-Form mit Soul- und Rockstars, die „Duets“. Nur ein Beweis dafür, dass Sinatra als Showbiz-Ikone für immer in Erinnerung bleiben wird.
Angie Dullinger