Die drei Unvergessenen
Eine Ausstellung zeigt Leben und Wirken von Liesl Karlstadt, Erni Singerl und Bally Prell
A Soubrette muss ganz kess sein, die muss an Busen habn. Des is nix für Sie. Aber Sie sind sehr komisch, Sie müssen sich aufs Komische verlegen." Die so angesprochene Soubrette, Liesl Karlstadt, die damals noch Elisabeth Wellano hieß, war erstmal beleidigt. Was sich dieser Karl Valentin so alles einbildet! Gehört hat sie allerdings trotzdem auf ihn und so fing sie an, ihre Karriere im komischen Fach, in der sie erst als Valentins Bühnenpartnerin, später als Solokünstlerin und auch im Radio und im Fernsehen berühmt wurde.
Einen ähnlich großen Bekanntheitsgrad haben in der Nachkriegszeit nur noch zwei weitere Münchner Volkskünstlerinnen erreicht: Erni Singerl und Bally Prell. Und so ist es nur folgerichtig, eben diesem Damen-Trio eine Ausstellung zu widmen: „Volkskünstlerinnen" in der Monacensia (siehe Kasten).
Die Ausstellung zeichnet den Werdegang der drei außergewöhnlichen Künstlerinnen nach, die in ihren Rollen und Liedern das Leben der kleinen Leute auf die Bühne brachten, über die Tücken des Alltags räsonierten und dabei die Mannsbilder manchmal ganz schön alt aussehen ließen. „Wenn man die Drei auf einen Nenner bringen möchte, dann den, dass sie die Würde der einfachen Leute aufrechterhalten haben“, sagt Andreas Kroll, der die Ausstellung gestaltet hat.
Originaldokumente, seltene Fotos, persönliche Erinnerungsstücke und Filmbeiträge
Gezeigt werden Originaldokumente, seltene Fotos, persönliche Erinnerungsstücke und Filmbeiträge. Kernzeit der Ausstellung sind die 50er Jahre, eine Zeit also, in der sich die Karrieren von Liesl Karlstadt, Erni Singerl und Bally Prell überschnitten.
Für Liesl Karlstadt waren die 50er Jahre die Zeit ihrer zweiten Karriere, der Karriere ohne Valentin. Schon Anfang der 30er Jahre war ihr Verhältnis immer schwieriger geworden, denn nicht nur auf der Bühne, auch im Leben waren sie ein Paar, allerdings ein heimliches, denn Valentin war verheiratet. Liesl Karlstadt litt. 1934 versuchte sie, sich das Leben zu nehmen. Zwar arbeitete sie nach ihrer Genesung mit Valentin weiter, doch irgendwann in dieser Zeit muss bei ihr der Entschluss gereift sein, auch eigene Wege zu gehen. Sie übernahm kleinere Rollen in Spielfilmen und spielte Theater - ohne Valentin.
Das war die Grundlage, auf der sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und Valentins Tod 1948 aufbauen konnte. Sie fand mit Michl Lang einen neuen Bühnenpartner, sie wurde Radio-, Film- und sogar Werbestar. Mit Beppo Brehm drehte sie den ersten Werbespot des deutschen Fernsehens überhaupt. Ihre größte Rolle dieser Zeit war jedoch die der „Mutter Brandl“ in der Rundfunksendung „Der Haushaltslehrling“ und in der Nachfolgeserie „Familie Brandl“. Hier wurde sie dank ihrer humorvollen Haushaltstipps zur „Mutter aller Bayern“.
Auch Erni Singerl wurde in jenen Jahren vom Radio entdeckt, und wie Liesl Karlstadt war sie ein Star in der „Weißblauen Drehorgel“, jener populären Samstagabendsendung des Bayerischen Rundfunks, in der auch Volksschauspieler wie Gustl Bayrhammer das Programm bestritten.
Der Weiß Ferdl war Ernie Singerls Lehrer
Begonnen hat die Singerl ihre Karriere 1937 im Platzl, damals eine der bekanntesten Theaterbühnen Münchens. Dort trat sie als „Kramer Resi“ auf, ein Künstlername, den ihr der Weiß Ferdl verpasst hatte, der ihr auch sonst alles beibrachte. „Man musste singen können, tanzen, Theater spielen. Und der Weiß Ferdl war ein großartiger Lehrer“, sagte sie einst. Singerl ist die einzige der drei, die geheiratet hat und Mutter wurde. 1939 kam ihrer Tochter Helga zur Welt. Während des Kriegs arbeitete sie als Schneiderin, ihr Mann starb 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft.
Nach Kriegsende kehrte Erni Singerl zurück auf die Bühne, bis 1961 spielte und sang sie im „Platzl“. Hier wurde sie auch von Rundfunk und Fernsehen entdeckt, daneben trat sie bei allerlei Veranstaltungen auf. Ihren größten Karrieresprung machte sie jedoch, als Ende der 50er Jahre der „Komödienstadl“ eine Fernsehserie wurde. In über 50 Rollen spielte sie sich in die Herzen der Zuschauer und wurde so zu einer Volksschauspielerin im besten Sinne - worauf sie stolz war. „Der Titel ,Volksschauspieler' ist die höchste Auszeichnung des Publikums", sagte sie. „Er ist ein Ehrentitel.“
Auf ihren Ruhm hätte Bally Prell, die Dritte im Bunde, dagegen gerne verzichtet. Anders als Liesl Karlstadt und Erni Singerl, die sich aus eigenem Antrieb für die Bühne entschieden hatten, zog es die schüchterne, dicke Frau mit der dunklen Stimme überhaupt nicht in die Öffentlichkeit. Doch ihr Vater entschied anders. Er, ein Versicherungsangestellter und Komponist, hatte nach dem Tod von Ballys talentiertem älteren Bruder den Ehrgeiz, nun aus ihr einen Volksmusikstar zu machen.
Bally Prells Mut zur Selbstironie
Zu ihrem 30. Geburtstag schenkte ihr der „Vatl“ ein Lied, das ihr Durchbruch werden sollte: „Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth“. Das erste Mal gab sie die bairische Persiflage auf die aufkommenden Schönheitswettbewerbe 1952 im „Platzl“ zum Besten. Ein durchschlagender Erfolg, auch dank ihres Mutes zur Selbstironie. Mit ihrer Leibesfülle, gehüllt in ein groteskes Bühnengewand - eines davon ist in der Ausstellung zu sehen - war sie ja alles andere als eine Schönheit.
30 Jahre lang trat sie vor allem in dieser Rolle auf, wurde zu einem Star der „Weißblauen Drehorgel“ - und fuhr nach ihren Auftritten möglichst schnell nach Hause in die elterliche Wohnung. Dort war ihre eigentliche Welt, hier lud sie Freunde zu musikalischen Abenden ein und ging ihren gesanglichen Neigungen nach. Sie studierte Arien aus Opern und vor allem das Repertoire von Tenören. Nur ganz selten, bei Auftritten in der Kirche, hat sie diese Lieder gesungen, nie auf der Bühne. Dort war sie die Komödiantin.
Liesl Karlstadt, Erni Singerl, Bally Prell, noch heute sind sie unvergessen, was nicht nur das große Interesse an dieser Ausstellung zeigt. Nur ein Beispiel: 2008 hatte die AZ bei einem Musikverlag angefragt, welche Interpreten volkstümlicher Musik heute noch von den Münchnern gekauft werden. Das Ergebnis: Platz zwei für Bally Prell mit „Die Schönheitskönigin“. Platz drei für Bally Prell mit „Das Isarmärchen“.
Beatrice Oßberger
Monacensia, Maria-Theresia-Str. 23., www.muenchner-stadtbibliothek.de. Öffnungszeiten: Ausstellung bis zum 15. Mai, Mo.-Mi., 9 bis 17 Uhr, Do., 10 bis 19 Uhr, Fr., 9 bis 15 Uhr. Rahmenprogramm: Am 4. Februar präsentiert Andreas Koll sein Buch „Volkskünstlerinnen“. Beginn: 18.30 Uhr, Tickets: 5 Euro. Außerdem führt Koll bei seinen „Stadtspaziergängen“ durch das volkstümliche München. Termine: 22. März, 11 Uhr, 22. April, 17 Uhr, 6. Mai, 17 Uhr. Treffpunkt ist am Karlstor, Tickets: 5 Euro.
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