Die bunte Blase

Der Kunstmarkt boomt. Am Dienstag beginnen die Frühjahrsauktionen – mit aberwitzigen Millionengeschäften. Wann kommt der große Crash? Die Woche der Wahrheit beginnt in New York.
von  Abendzeitung

Der Kunstmarkt boomt. Am Dienstag beginnen die Frühjahrsauktionen – mit aberwitzigen Millionengeschäften. Wann kommt der große Crash? Die Woche der Wahrheit beginnt in New York.

Um Kunstverständnis geht es nur am Rande, viel mehr schon um persönliche Symbolpolitik oder Protzerei auf globaler Ebene. Wenn ab heute bei den traditionellen Frühjahrsauktionen in New York neue Rekordpreise für Gemälde erwartet werden, so hat das vor allem zwei Gründe: Die Reichen werden reicher. Und die Inder, Chinesen, Araber und Russen mischen stärker mit im elitären Club der Kunstsammler, der bislang vor allem von Westeuropäern und Amerikanern dominiert wurde.

Der Umsatz auf dem internationalen Kunstmarkt hat sich zu Beginn des neuen Jahrtausends innerhalb von fünf Jahren nahezu verdoppelt. Im Rekordjahr 2006 sind nach einer Studie weltweit Kunstwerke im Wert von 42Milliarden Euro gehandelt worden. Noch führen die USA (46 Prozent) und Großbritannien (27 Prozent) mitweitem Abstand, aber das könnte schnell vorbei sein.

Ohne Überheblichkeit

Man sollte den neuen Reichen, die zweistellige Millionenbeträge für Künstler ausgeben, deren Existenz ihnen zuvor noch kein Begriff war, nicht mit Überheblichkeit begegnen. Das erläuterte Sotheby’s Star- Auktionator Tobias Meyer in einem Interview mit der „SZ“: „Diese Leute werden uns alle auffressen. Der Westen weiß immer noch nicht, dass die Zukunft derWelt nicht imWesten stattfinden wird. Ganz Europa wird wie Venedig sein, wo du hingehst, um nett zu essen und dich stressfrei zu unterhalten.“ Erst einmal aber bittet New York zum großen Aufmarsch: Das Auktionshaus Christie's rechnet mit Gesamteinnahmen von bis zu 500 Millionen Euro. Der Erzrivale Sotheby's erhofft sich allein vomVerkauf impressionistischer und moderner Kunst bis zu 185 Millionen Euro. Beide Auktionshäuser setzen dabei vor allem auf die Künstler, die in den letzten Jahren den Markt dominierten: Werke von Mark Rothko, die bis zu 40 Millionen Dollar bringen sollen, Triptychen des britischen Kunstberserkers Francis Bacon, von denen eines auf die Rekordsumme von 70 Millionen Dollar taxiert ist. Daneben amerikanische Pop-Art von Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, Roy Lichtenstein und Robert Rauschenberg.

Mit besonderer Spannung wird in der kommenden Woche die Versteigerung eines lebensgroßen Aktgemäldes des britischen Malers Lucian Freud erwartet. Das 1995 entstandene Bild „Benefits Supervisor Sleeping“ des Enkels von Sigmund Freud könnte den Schätzungen von Christie's zufolge mit bis zu 35 Millionen Dollar einen Rekordpreis für einen noch lebenden Künstler erzielen. Doch es gibt auch Anzeichen für eine wachsende Nervosität auf dem Kunstmarkt. Laut „Wall Street Journal" soll Sotheby’s schon Außenstände im Wert von 835 Millionen Dollar haben. Das wird als ein sicheres Anzeichen dafür gedeutet, dass der internationale Finanzcrash nicht ganz so spurlos an der Sammlerelite vorbeigegangen ist wie nach außen behauptet.

Die Auktionshäuser haben schnell reagiert und vor allem die Angebote in der mittleren Preislage stark ausgedünnt. Die Auktionswoche in New York könnte die Woche der bitteren Wahrheit werden. Der letzte große Crash auf dem Kunstmarkt liegt immerhin schon 18 Jahre zurück – und die mahnenden Stimmen mehren sich. Sammler und Wirtschaftsberater Roland Berger kritisierte schon vor Jahresfrist, Kunst werde „gnadenlos überbezahlt“ und selbst der derzeit höchst gehandelte deutsche Maler, Gerhard Richter, schüttelte angesichts der Millionenerlöse für seine Werke leicht verständnislos den Kopf.

Die Verlierer der Rekordjagd

Mit Kunst lässt sich bislang noch immer prächtig Geld verdienen. 1960 erwarb US-Milliardär David Rockefeller das Gemälde „White Center" von Mark Rothko für weniger als 10 000 Dollar, im vergangenen Jahr sah der inzwischen 91-jährige Kunstmäzen selbst bei Sotheby's in New York zu, wie „sein“ Rothko für 53,6 Millionen Euro versteigert wurde und damit knapp auf die Liste der zehn teuersten Gemälde rutschte. Das nennt man wohl eine Wertsteigerung. Nur die Museen sind derzeit die großen Verlierer der Rekordjagd. Da der Spitzenpreis für das Bild eines Malers meist auch dessen Gesamtwerk nach oben taxiert, steigen die Versicherungssummen dramatisch an. So wäre etwa die – weit vor dem Auktionsrekord organisierte – Münchner Rothko-Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle nach dem Spitzenpreis im letzten Jahr nicht mehr finanzierbar gewesen

Volker Isfort

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