Die britische Fledermaus
Lässt sich der insulare Humor übertragen? Der Dirigent Anthony Bramall über die „Piraten von Penzance“, eine Operette von Gilbert und Sullivan
Im ehemaligen britischen Weltreich sind sie populär wie bei uns Johann Strauß oder Offenbach. Die Marke Gilbert und Sullivan steht in Neuseeland ebenso wie in Schottland, Kanada oder Australien als Synonym für die englische Operette. Überall, wo einst der Union Jack wehte, verschreiben sich Studenten und vereinsmäßig organisierte Laien den Aufführungen des „Mikado“ oder der „Piraten von Penzance“.
Bei uns haben diese Stücke nie den Weg ins Repertorie gefunden. „Sie sind schwer aufzuführen“, erklärt der Dirigent Anthony Bramall. „Parodien versteht nur, wer das Original bestens kennt.“ Der Komponist Arthur Sullivan macht es einem leicht: Er studierte in Leipzig und liebte Musik von Mendelssohn oder Lortzing. Die „Piraten“ entstanden vier Jahre nach der „Fledermaus“ in der goldenen Ära der Operette. Vieles erinnert an Offenbach, und wie dieser nimmt Sullivan besonders gern die italienische Oper auf die Schippe. Bramall hört Anklänge an Verdis „Aida“, aber auch „O namenlose Freude“ aus Beethovens „Fidelio“ wird im Duett des Liebespaars Frederick und Mabel zitiert.
Wie Loriot oder Monty Python
Heikler ist der Fall von William Schwenck Gilbert. „Seine Texte sind witzig wie Loriots Nudel-Sketch oder die Filme von Monty Python“, schwört Bramall. „Aber es muss sehr ernst gespielt werden, damit die Komik wirkt.“ Außerdem setzt sein Humor einige Grundgesetze der britischen Kultur als bekannt voraus: Die Freibeuter sind erfolglos, weil sie nie einen Schwächeren angreifen würden. „Briten lachen über diese Parodie des Fair Play“, erklärt Bramall. „Außerdem sind es allesamt auf die schiefe Bahn geratene Aristokraten. Das sorgt für ein Happy End.“
Anthony Bramall wirkt heute neben seiner Professur an der Weimarer Hochschule als freier Dirigent: Der gebürtige Londoner hatte in seinen Jahren als Generalmusikdirektor in Krefeld und Karlsruhe kaum Gelegenheit, seine Liebe für englische Operetten auszuleben: „Hinter mir liegt die typische Karriere eines deutschen Kapellmeisters mit Strauss, Bruckner und Wagner.“ Als Muttersprachler half er, einige Fehler der deutschen „Piraten“-Übersetzung zu korrigieren. Den Regisseur lobt er: „Holger Seitz hat den Nerv des Stücks getroffen. Es lässt sich nicht nach Regietheater-Manier in eine Tiefgarage der 1950er Jahre oder ins Weltall versetzen. Gilbert und Sullivan sind so gut wie Offenbach oder Johann Strauss, und die ,Piraten’ halte ich für ein Meisterwerk.“
RBR
Gärtnerplatztheater, Premiere heute, 19.30 Uhr, 19., 27. Mai sowie im Juni, Tel.2185 1960