Die beste Leonore aller Zeiten
Dramatisches Feuer: Die Sopranistin Hildegard Behrens verstarb im Alter von 72 Jahren in Tokio
Als Leonore in Beethovens „Fidelio“ loderte ihr Gesang vor Dramatik. Aber fast mehr noch haften ihre Gesten im Gedächtnis – wie ihr vergeblicher Griff zur Pistole, wenn sie am Ende des ersten Akts in Götz Friedrichs Inszenierung von 1978 im Münchner Nationaltheater dem bösen Pizarro allein gegenüber stand.
Damals prangte nicht zu Unrecht ein Bild der legendären, von Wagner gepriesenen Wilhelmine Schröder-Devrient auf dem Vorhang: Sie kann als Leonore nicht besser gewesen sein. Am Dienstag verstarb Hildegard Behrens 72-jährig in einem Krankenhaus in Tokio kurz vor dem Auftritt bei einem japanischen Musikfestival.
Die 1937 im niedersächsichen Varel geborene Sängerin reifte in der Provinz. Herbert von Karajan hörte sie als Marie bei einer „Wozzeck“-Probe in Düsseldorf und bot ihr die Salome an. Mit diesem sensationellen, in einer unvergleichlichen Einspielung der Strauss-Oper nacherlebbaren Auftritt wurde Hildegard Behrens 1977 weltberühmt.
„Ich habe nie daran gedacht, mit meiner Stimme sparsam umzugehen“, sagte sie in einem Interview. Und so glich ihre Karriere einer Kerze, die an beiden Enden brennt. 1981 wagte sie die Isolde in einem konzertanten „Tristan“ unter Leonard Bernstein im Herkulessaal, bald danach die Brünnhilden in Wagners „Ring“ in Bayreuth und München. Wer die Augen schloss, spürte die Überanstrengung. Doch ihre Bühnenpräsenz konnte vokale Mängel durch bedingungslosen Einsatz noch lange in dramatische Intensität ummünzen.
1996 war sie August Everding zuliebe noch einmal Wagners Isolde bei der Wiedereröffnung des Prinzregententheaters. Als Krönung ihrer Karriere verstand Hildegard Behrens ihre Partie in der Oper „Cronaca del luogo“ von Luciano Berio, die zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1999 unter Ovationen uraufgeführt wurde. Die Festspiele beflaggten heute Trauer, unvergessen aber bleibt ihr Münchner „Fidelio“.
Robert Braunmüller
Der Mitschnitt der „Fidelio“-Premiere unter Karl Böhm als CD bei Orfeo, Karajans Aufnahme der „Salome“ bei EMI