Die Axt im Dienste Gottes

Staatsopern- Premiere: Respektvoller Beifall für Henzes „Bassariden“ in Christoph Loys Regie. Kein Wunder: Inhalt und Musik sind nicht leicht zu verdauen. Der Text mogelt sich durch mythologische Wahrheiten.
von  Abendzeitung

Staatsopern- Premiere: Respektvoller Beifall für Henzes „Bassariden“ in Christoph Loys Regie. Kein Wunder: Inhalt und Musik sind nicht leicht zu verdauen. Der Text mogelt sich durch mythologische Wahrheiten.

Den ersten Applaus gab es, als der 82-jährige Hans Werner Henze die Intendantenloge betrat, um sich mit Generalmusikdirektor Kent Nagano die Staatsopern- Premiere seiner 1966 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführten Oper „Die Bassariden“ anzusehen. Zweieinhalb Stunden später war der Beifall für den Komponisten zwar ebenso herzlich, aber eher respektvoll als begeistert.

Kein Wunder: Inhalt und Musik sind nicht leicht zu verdauen. Vor allem die Strauss- Fans im Publikum werden sich ein ums andere Mal an sattsam bekannte Situationen aus „Elektra“ oder „Salome“ erinnert haben.

Das ärgert den Gott

Der Text mogelt sich durch mythologische Wahrheiten: Pentheus, König von Theben, liebt Recht und Ordnung, ein Moralist, dem Sinnlichkeit zuwider ist und der – wen wundert’s – aus diesem Grund den lustvollen Kult um Dionysos auf die rote Liste gesetzt hat. Das wiederum ärgert den Gott. Er wiegelt seine Anhänger gegen den König auf, auch Agaue, Pentheus’ Mutter, die ihn schließlich tötet.

Regisseur Christof Loy hat der Sopranistin Gabriele Schnaut dazu eine riesige Axt in die Hand gedrückt, die diese mit Inbrunst schwingt. Loys Inszenierung zelebriert das vonW.H. Auden und Chester Kallman mit allerlei Siegmund- Freud-Schnickschnack überfrachtete Libretto mit Hingabe. Auf einer weißen, rechteckigen Fläche bewegen sich die Akteure im Adagio-Tempo wie die Priester beim katholischen Gottesdienst. Lediglich dem Chor sind ein paar lebendige Variationen gestattet.

Ästhetische Konsequenz

Das alles ist höchst eindrucksvoll arrangiert. Man bestaunt die ästhetische Konsequenz der Bilder (Johannes Leiacker) –wie auch die Kunstfertigkeit der Musik, die es sich bequem gemacht hat zwischen den Kraftakten Hindemiths und den lyrischen Eskapaden eines Richard Strauss’. Schon bei ihrer Entstehung waren Henzes „Bassariden“ anachronistisch. Schließlich hatte 1966 Alban Bergs „Wozzeck“ bereits 41 Jahre auf dem Buckel. Der Eklat, den einige Jahre zuvor Boulez und Nono in Donaueschingen provozierten, als sie ungalant die Probe eines Henze-Stückes vorzeitig verließen, mag sein Motiv wohl auch darin gehabt haben: Einer, der so begabt ist, muss einfach ein bisschen mehr wagen.

Sei’s drum: Die musikalisch bemerkenswert opulente Münchner Aufführung deckte diese Einwände weitgehend zu. Man erlebte die spannende Auseinandersetzung zwischen Spaßgesellschaft und den Dampfplauderern der Vernunft als ein packendes Opern-Abenteuer. Regisseur Christof Loy tat gut daran, sich nicht zu entscheiden, sondern nahezu cool über die Rache des Gottes zu berichten.

Unangefochtene Helden des Abendswaren die Mitglieder des von Andrés Máspero einstudierte Chores. Dirigent Marc Albrecht hielt das Geschehen mustergültig zusammen und tat zum Glück nichts, um die Exzesse der Musik zu vergröbern. Das Staatsorchester hatte offenkundig tüchtig geprobt.Mit einer Ausnahme – der enttäuschenden Gabriele Schnaut als Agaue – waren die Sänger first class: Michael Volle (Pentheus), Nikolai Schukoff (Dionysos), Sami Luttininen (Kadmos), Reiner Goldberg (Teiresias), Eir Inderhaug (Autonoe), Hanna Schwarz (Beroe).

Eine Pause hätte dennoch gut getan. Und auch das vom Komponisten später gestrichene Intermezzo, das Loy wieder einführte, war ziemlich überflüssig.

Volker Boser

Aufführungen wieder am 22., 25., 28., 31. 5. sowie am 3. 6.; Tickets unter & 21 85 19

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.