Die attraktive Überbrückung
Oberbürgermeister Christian Ude bestätigt Verhandlungen mit Lorin Maazel als Interimschef für die Münchner Philharmoniker
Kaum ein Orchester ist so auf Vaterfiguren fixiert und mit ihnen beschäftigt wie die Münchner Philharmoniker. Nach langen Jahren mit Maestro Sergiu Celibidache und unbefriedigenderen mit James Levine, sollte eigentlich Christian Thielemann das Orchester in die Weltspitze führen. Doch die jüngste Rebellion gegen den Chef ging gründlich schief, Thielemann ließ sich nicht vom Orchestervorstand demokratisieren oder gängeln und unterschrieb in Dresden, wo er ab 2012 die Sächsische Staatskapelle in der Semperoper musikalisch regiert. Uneingeschränkt.
Dass nun der alternde Star- Lorin Maazel auf Thielemann als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker nachfolgen soll, überrascht nur auf den ersten Blick. Ein Sprecher der Stadt bestätigte am Dienstag, dass es Verhandlungen mit Maazel gebe. Die Übergangslösung – im Gespräch sind angeblich drei Jahre – mit dem bald 80-Jährigen, hätte zumindest den Vorteil, dass keine Autoritätslücke an der Spitze des Orchestern klaffen würde. Und Maazel, von 1993 bis 2002 Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, kennt die Münchner Musikszene und den hiesigen Publikumsgeschmack natürlich genau.
Die Stadt hat keinen Goldesel
Die Querelen um Thielemanns Vertragsverlängerung soll er intensiv verfolgt haben, berichtet ein Insider und räumt gleich mit einem anderen Gerücht auf: Maazel, der bis 2009 die New Yorker Philharmoniker leitete, gilt als teuerster Dirigent der Klassikszene. Da aber weder Christian Ude noch sein Kulturreferent in Zeiten des rigiden Sparens einen Goldesel im Rathaus entdeckt haben, würde sein Salär für München keineswegs die Dimensionen erreichen, die er noch in Amerika erhalten habe.
Nicht eine Millionengage wäre der Münchner Köder, vielmehr soll sich Maazel dahingehend geäußert haben, dass er es als sehr reizvoll empfände, sich für ein Spitzenorchester in einer seiner Lieblingsstädte zu engagieren. Oberbürgermeister Christian Ude sprach von einer „herausragenden und attraktiven Lösung“, um einen „kurzfristigen Zeitraum“ zu überbrücken. Zu Details wollte er aber keine Angaben machen.
Wartezeit gewinnen
Die Stadt hätte mit Maazel einen Weltstar für das Pult gewonnen, damit sicher die Abonnenten beruhigt und nun genügend Zeit dazu, in aller Muße vielleicht doch nach jenem Genie ohne riesigen Namen zu suchen, das Küppers sich schon als Thielemann-Nachfolger vorstellen konnte.
Das Orchester tat dies nicht: Es befürchtete, durch Thielemanns Weggang einen Teil der sehr hohen Zahl an Abonnenten einzubüßen.
Volker Isfort