Die Anarchie der Seele

Der Filmemacher Werner Schroeter zeigt seine Fotos in der Galerie Jörg Heitsch
von  Abendzeitung

Der Filmemacher Werner Schroeter zeigt seine Fotos in der Galerie Jörg Heitsch

Die Hoffnung liegt im Tun. Und ich habe etwas getan. Das ist Kultur. Ohne Kultur verfällt unsere Welt in Barbarei. Film ist nicht dazu da, eine Antwort zu geben, sondern Herz, Seele und Kopf zu inspirieren“: Werner Schroeter ist bekannt und gefürchtet für seine Kompromisslosigkeit, ein Zauberer, der mit bombastischen Bildern die Leinwand zum Explodieren bringt. Seine Film sind „Bigger than Life“, nicht klein, klein im angepassten Fernsehformat dreht er, sondern mit einer manchmal beängstigenden Wucht, wie die Elfriede Jelinek-Verfilmung „Malina“ mit Isabelle Huppert oder der poetischen Dokumentation „Poussières d’amour“ beweisen.

In Venedig im vergangenen Jahr erhielt er den „Goldenen Löwen“ für sein Lebenswerk und verstörte mit dem Drama „Nuit de Chien“ über Gewalt und Zerstörung des Menschen durch den Menschen. Die Jörg Heitsch Galerie zeigt ab heute erstmals Fotoarbeiten des Regisseurs, das Filmmuseum präsentiert in Anwesenheit Schroeters das in Kalifornien gedrehte klassische Melodram „Willow Springs“ von 1972, die Geschichte dreier Männervertilgender Frauen, die ihr Leben in die eigene Hand nehmen (mit Magdalene Montezuma, Christine Kaufmann und Ila von Hasperg) und wie Wegelagerer lüsternen Männern auflauern.

Brennen für die Arbeit

Der 63-Jährige (äußeres Markenzeichen schwarzer Zorro-Hut), der die Hochschule für Fernsehen und Film in München nach nur wenigen Wochen verließ, brennt nach 35 Filmen und 73 Theater- und Operninszenierungen immer noch für seine Arbeit, „sogar noch mehr. Das liegt am Leben, man hat mehr mitzuteilen.“ Die Oper ist für ihn „das tiefste und kompletteste Kunstwerk“.

Schroeter, nach eigenem Dafürhalten ein Pirat der Liebe im Hier und Jetzt und Eklektiker bedauert im Rückblick nichts und plädiert „für die Anarchie der Seele. Man muss immer Widerstand leisten und darf sich nicht vereinnahmen lassen. Ein Tag ohne Risiko ist kein Tag.“ Sein Ratschlag für die Jungen: Camus lesen! Gerne erinnert er sich an die Zeit von 1968, als „die Libertinage immer noch mit Zuneigung gekoppelt war, Sexualität noch Spaß machen durfte. Heute müssen sich die Leute Freiräume neu erobern.“ Seit 1972 sorgte Schroeter mit Aufsehen erregenden Stücken, darunter „Emilia Galotti“ in Hamburg oder „Salome“ in Bochum für Furore, seit 1979 inszeniert er Opern in Deutschland und Italien.

Ein Mann voller Projekte

Wie sein Freund und Weggefährte Rainer W. Fassbinders arbeitet er schnell, fast hastig, hat in den wilden Jahren nichts ausgelassen und hält sich an dessen Motto „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“ Der kreative Berserker liebt das Exzessive und lebte lange auf der Überholspur und lässt sich auch von seiner schweren Krankheit nicht unterkriegen, sprang dem Tod gelassen von der Schippe.

Als Nächstes möchte er James Baldwins Roman „Giovannis Room“ über die Entdeckung der eigenen Homosexualität verfilmen, „weniger seifig als ,Brokeback Mountain’, eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und der Versuch, Sexualität in Eros umzusetzen“. Und dann steht noch ein Projekt mit Isabelle Huppert an, „Die Adoleszenz von Friedrich dem Großen von Preußen“.

Margret Köhler

Werner Schroeter „Autrefois et Toujours“, Galerie Jörg Heitsch (Reichenbachstr. 14), bis 7. Februar, Di – Fr 14 bis 19 Uhr, Sa 12 bis 16 Uhr

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