Dicke Hose, nichts dahinter
Frauen neigen dazu, die Sprachlosigkeit ihrer Männer zu beklagen. Aber es ist gut, wenn Männer nicht viel reden. Mit seinen „Kurzen Interviews mit fiesen Männern” dokumentierte der US-Autor David Foster Wallace, was passiert, wenn Männer vor sich hin plappern. Dann tun sich Abgründe auf.
Der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl, berüchtigt wie bewundert für seine Spiel- und Dokumentarfilme über die Schmutzränder der westeuropäischen Zivilisation, nahm die Wallace-Texte zum Anlass, von der Kamera zur Bühne zu wechseln. Die Vorlage und die fiesen Männer wurden ergänzt von Monologen böser Buben, die aus Improvisationen entstanden.
„Böse Buben/Fiese Männer” ist eine Koproduktion der Wiener Festwochen und der Kammerspiele, die ab sofort auch dem Publikum an der Maximilianstraße zugemutet wird. Nicht selten hängt der Abend so schlaff wie das primäre Geschlechtsmerkmal des Mannes. Aber es geht in zweieinhalb pausenlosen Stunden um nichts anderes: Die wenig glorreichen Sieben, die hier auftreten, greifen sich in den Schritt, bevor das erste Wort fällt. Schauplatz ist ein von Bühnenbildner Duri Bischoff naturalistisch gestalteter Kellerraum mit Waschgelegenheit.
Hier treffen sich Herren mittleren bis fortgeschrittenen Alters zu seltsamen Exerzitien zwischen Deutschem Turnerbund und Wehrsportgruppe. Dann und wann plaudern sie über ihr ulkiges bis gestörtes Liebesleben und beantworten, was wir noch nie über Sex wissen wollten. Ein Boxer (Michael Thomas) leidet darunter, beim Orgasmus zwanghaft „Sieg den Kräften der Sozialistischen Partei” ausrufen zu müssen, der „einarmige Johnny” (Lars Rudolph) berichtet triumphierend, wie er seine Missbildung als „Geheimwaffe” beim Mädelsaufreißen nutzt. Ein Bäckermeister (Georg Friedrich) gesteht, bei Fesselspielen zu weinen.
Zur Truppe gehören auch zwei Amateure aus Seidls Filmen: René Rupnik doziert über „große Ficker” der Weltgeschichte oder schildert detailliert die Hässlichkeit der Geschlechtsorgane, wenn er nicht gerade in Pornomagazinen schmökert, und der Ägypter Nabil Saleh hat eine Mission: die Befriedigung der vernachlässigten deutschen Frau. Das Finale gehört aber Wolfgang Pregler, der sich mit verstörender Unaufgeregtheit in die Kurve von Holocaust zur männlichen Gewalt gegen Frauen legt. Doch trotz solcher starker schauspielerischer Momente bleibt am Ende nur ermatteter Applaus für ambitionierte Pornografie.
Kammerspiele, Sa, 2., 15., 22. Juli, 19.30 Uhr, Tel. 23396600
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