Diana Iljine verlässt Filmfest mit "guten Gedanken"
Heute Abend startet im Gasteig HP8 das 40. Filmfest München mit dem Film "The Persian Version". Feiern, aber auch Abschiednehmen ist angesagt. Diana Iljine, seit 12 Jahren Festivalchefin, hört auf und zieht ein positives Résumé. Ein Filmhaus liegt zwar in weiter Ferne, aber das Filmfest funktioniert als Auswertungsplattform, Publikumsfestival wie Branchentreff, liefert Stars und Glamour, gilt als Sprungbrett für deutsche Talente. Das Budget wurde nicht erhöht, bleibt bei 3,5 Mio Euro plus Ticketverkauf.
AZ: Ihr letztes Filmfest als Festivalchefin. Fühlen Sie Wehmut oder Erleichterung?
DIANE ILJINE: Ich gehe im Guten. Alles hat seine Zeit. Ich freue mich auf einen schönen und runden Abschluss.
Spielten die sicherlich zermürbenden Auseinandersetzungen mit der Politik, der Kampf um die Finanzen eine Rolle bei Ihrer Entscheidung?
Reibungen gibt es in jedem Job. Erst die Coronakrise, dann der Ukrainekrieg gefolgt von der Energiekrise, da wird natürlich überall gekürzt und da kann das Thema Kultur schon ein Stück nach hinten rutschen. Aber wir hatten Glück, unser Etat wurde jedenfalls nicht dauerhaft gekürzt. Wir mussten zwar, wie alle städtischen Beteiligungen kurzfristig Kürzungen hinnehmen und hatten dadurch tatsächlich weniger Geld zur Verfügung, aber hier eine Schuldzuweisung zu machen, halte ich für falsch.
Was ist aus den versprochenen drei Millionen Euro von Ministerpräsident Markus Söder für den Ausbau zum internationalen Medienfestival geworden?
Das Thema möchte ich jetzt nicht vertiefen. Aber die versprochenen Millionen konnten nicht fließen, weil sich die Gesellschafter damals nicht auf eine gemeinsame Vision einigen konnten.
Auf was können wir uns in diesem Jahr besonders freuen?
Auf sechs internationale Weltpremieren wie "Une Femme Respectable" des Kanadiers Bernard Émond. Und natürlich auf unsere afrikanischen Filme quer durch die Sektionen. Sechs experimentierfreudige afrikanische Stimmen, davon vier Frauen. Auch die Italiener sind sehr stark. Ein echtes Schmankerl ist "Il primo giorno della mia vita" von Paolo Genovese, der auch nach München kommt.
Es gibt eine Zusammenarbeit mit dem Museum Brandhorst oder mit dem Literaturhaus. Ist die Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen die Zukunft?
Auf jeden Fall. Wir hoffen die Kooperation mit weiteren Institutionen auszuweiten. Eine große Rolle spielt auch die Initiative "Tourismus in München" und natürlich das Kulturreferat, oder das Amerikahaus. Es gab auch schon Kooperationen mit der Staatsoper oder dem NS-Dokumentationszentrum.
Ist es schwierig, Preisstifter oder Sponsoren bei der Stange zu halten? Kann man auf eine Kontinuität hoffen, oder muss man jedes Jahr wieder bei Null anfangen?
Wir haben ein Riesenglück mit Arri, Hofbräu und Audi und auch eine große Kontinuität bei den Preisstiftern beispielsweise für den "Förderpreis Neues Deutsches Kino". Die halten uns alle sehr loyal die Stange, aber man muss den Partnern natürlich etwas bieten - Sichtbarkeit, Umfeld, Begegnungen. Preise sind für Filmemacher und Filmemacherinnen auf jeden Fall ein zusätzlicher Anziehungspunkt.
Wenn Sie zurückblicken: Welche Vorstellungen hatten Sie bei Ihrem Antritt als Festivalleiterin?
Der Anspruch war, das Filmfest ein Stück weit glamouröser zu machen, Staat und Stadt wünschten mehr Popularität. Mit den Stars hat das eigentlich ganz gut geklappt, obgleich ich 2011 in eine neue Zeit mit iPhones und Social Media-Plattformen kam. In den 1980er Jahren gab es 60 Filmfestivals in Europa, heute allein 450 Festivals und Filmwochen in Deutschland. Es ging darum, die Attraktivität des Festivals zu steigern, es zu einem "Place to be" zu machen. James Franco, Sofia Coppola oder Sir Michael Caine sind absolute Stars. Da habe ich schon geliefert.
Bekommt München, die Filme, die es will oder muss man kämpfen?
Es gibt immer mal den einen oder anderen Film, den wir einem anderen Festival gerne überlassen. Das hat auch etwas mit den Kinostarts zu tun, Verleiher von Filmen, die im Juli, August oder September starten, kommen gerne zu uns. Das Filmfest ist eine Auswertungsstufe und ein Zugang zum Markt. Aber natürlich müssen wir auch mal Federn lassen.
Wie empfinden Sie die Konkurrenzsituation mit den zahlreichen anderen Veranstaltungen?
Wir haben alle zwei Jahre die Fußball-EM oder die Fußball-WM gegen uns laufen, das sehr gut besuchte Tollwoodfestival in München. Trotzdem ist uns eine stärkere Positionierung gelungen. In der Reihe "Neues Deutsches Kino" haben wir die Karrieren von Regisseuren und Regisseurinnen in Schwung gebracht und einige Filme haben eine große Festivalreise begonnen, wie zum Beispiel Jan-Ole Gerster mit "Oh Boy". Vicky Krieps startete 2014 in München ihre internationale Karriere mit "Das Zimmermädchen Lynn".
Welche Funktion erfüllen Festivals wie das Filmfest München?
Es gibt manchmal 40 Filmstarts in der Woche, viele gehen unter. Wir bekommen richtig gute Filme, weil diese durch ein Festival Aufmerksamkeit generieren. Filmfestivals sind inzwischen ein Marketing- und Auswertungsinstrument. Das heißt: Wir erschaffen ein Event mit vielen Einzel-Events und kreieren einen Buzz, das sorgt für Zuschauerinteresse und gute Zahlen. Nach Corona sind wir gleich auf 50 000 Zuschauer gekommen. Früher reichte es, einen guten Film zu präsentieren mit einem Regisseur für ein Q&A auf der Bühne. Das reicht heute nicht mehr.
Bis auf die Mostra in Venedig, die mit 70 bis 80 Filmen auskommt, platzen Filmfestivals aus allen Nähten. Warum die Fixierung auf eine numerische Größe?
Man muss eine bestimmte Anzahl von Filmen zeigen. Ich habe die Anzahl von 240 auf 180 reduziert und nach Corona auf 120 wegen gewisser Restriktionen. Wir müssen mit unserem Budget haushalten und haben die Festivaldauer um einen Tag verkürzt, pendeln uns jetzt bei etwa 140 bis 150 Filmen ein. Das ist auch vom Team aus machbar.
Was waren die größten Änderungen in den vergangenen Jahren?
Eine neue Programmstruktur ohne Länderreihen. Für mich zählt, wie ein Film gemacht ist, ob mit großem oder kleinem Budget, ein Autorenfilm ist dann besser bei den Internationalen Indies aufgehoben. Bekannte Namen wie Jessica Hausner, Aki Kaurismäki, Stephen Frears oder Marco Bellocchio finden sich bei den "CineMasters", Erstlinge in der "CineVision", im "Spotlight" unterhaltende Filme wie der Eröffnungsfilm "The Persian Version", neu ist "CineRebels". Als ich die Serien einführte, wurde ich noch als "Fernseh-Tussi" beschimpft. Serien sind die Romane des 21. Jahrhundert, ich bin stolz, dass ich das so früh erkannt habe.
Hätten Sie gerne mehr angestoßen?
Richtig schief gegangen ist nichts. Natürlich hätte ich gerne mehr Stars eingeladen, aber das ist eine finanzielle Frage. In der gesamten Kulturpolitik wird gespart. Ich bedauere, dass der auf drei Jahre angelegte CineCoPro Award nach einem Jahr den Einsparungen zum Opfer fiel. Die Zukunft liegt im Bereich der internationalen Koproduktion.
Inwieweit hält sich München als Branchentreff?
Die Tendenz dazu verstärkt sich, das sehen wir auch an der Anzahl der Akkreditierungen. Angesichts der sehr gut funktionierenden Märkte in Berlin und Cannes, habe ich auf einen eigenen verzichtet. Aber wir haben das Glück, dass München im Sommer die Branche anzieht. Die Geschäfte werden in der "Beergarden-Convention" im Garten des Amerikahauses gemacht.
Das Amerikahaus ist seit letztem Jahr Festivalzentrum. Aber erhofften Sie nicht eine Art Filmhaus, ein großes und repräsentatives Festivalzentrum?
Das Amerikahaus ist perfekt gelegen, ein schöner und zentraler Ort und passt sehr gut in unsere Kinomeile. Ein mögliches Filmhaus wie in Berlin mit Cinemathek war immer wieder im Gespräch, ist aber in weiter Ferne.
Es gibt keine gedruckte Festschrift zum 40. Geburtstag, sondern nur eine digitale. Drückt das nicht eine Geringschätzung gegenüber dem Filmfest aus? Fehlte es an Sponsoren?
Es war keine budgetäre Frage. Wir haben uns bewusst zu einer Ausgabe im Netz entschieden, die sich liest wie ein Roman, ein Feuerwerk an Bildern mit dem gleichen redaktionellen Input wie eine Papierausgabe. Man muss mit der Zeit gehen. Kataloge oder Festschriften haben am Ende vielleicht mal 100 Leute genutzt.
Sie haben die letzten drei Jahre in einer Doppelspitze mit Christoph Gröner gearbeitet. Würden Sie diese Kombination für die Zukunft empfehlen?
Wir haben vorher lange zusammengearbeitet und uns sehr gut ergänzt. Ich empfehle eine Doppelspitze nur, wenn man den Partner gut kennt. Eine von außen ausgewählte Doppelspitze würde für mich nicht funktionieren.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Mein Team. Wir wachsen während des Filmfestes auf fast 150 Personen an. Für mich ist das Menschliche am allerwichtigsten. Ich gehe mit vielen guten Gedanken und guten Erinnerungen.
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