Deutschlands coolster Botschafter
Quentin Tarantino, der amerikanische Kult-Regisseur über einheimische deutsche Stars, seine Liebe zu Kreuzberg und wie es ist, Diane Kruger zu erdrosseln.
Er ist sehr mit sich zufrieden, und es ist ihm anzusehen. Mit breitem Lächeln stolziert Quentin Tarantino (46) in die Hotelsuite des Berlin Adlon, wohl wissend, dass „Inglourious Basterds“ (ab morgen in den Kinos) seine Feuerprobe in Deutschland bestanden hat. Das Premierenpublikum in Berlin begeisterte sich für seine Actionsatire über einen fiktiven Anschlag auf Adolf Hitler ebenso wie die ersten Kritiken. Der Erfolg dürfte ihm auch nach „Pulp Fiction“, „Kill Bill“ und „Death Proof“ weiterhin treu bleiben.
AZ: Mister Tarantino, auf dem Studiogelände Babelsberg wurde jetzt eine Straße nach Ihnen benannt, in Berlin gibt es eine Bar mit Ihrem Namen. Ganz Berlin scheint im Tarantino-Rausch zu sein.
QUENTIN TARANTINO: G.W.-Pabst-, Ecke Quentin-Tarantino-Straße – in einem Atemzug mit dem berühmten Stummfilm-Regisseur! Ist das nicht der Wahnsinn? Ich fühle mich geehrt und geliebt. Ich liebe Berlin genauso! Es war auf jeden Fall die beste Entscheidung, „Inglourious Basterds“ hier zu drehen, ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl, dass die Deutschen den Film richtig verstehen würden.
Beziehen Sie das auf die Tatsache, dass Ihr Film das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte behandelt?
Ja, in Amerika werde ich oft gefragt, wie ihr Deutschen darauf reagieren werdet und ob der Film eine Beleidigung für euch darstellen könnte. Ich fühlte mich wie ein Botschafter eures Landes, wenn ich immer wieder erklärte, dass es vor allem die Deutschen sind, die sich seit drei Generationen in ihrer Fantasie ausmalen, Hitler töten zu können.
Während der Dreharbeiten lebten Sie in Kreuzberg. Werden Sie die Wohnung behalten, um in Berlin öfters arbeiten zu können?
Nur zu gern hätte ich die Wohnung behalten. Aber sie gehört mir nicht, war nur während der Drehzeit angemietet. Wenn ich wieder nach Berlin zurückkehren würde, dann nur nach Kreuzberg, denn dort hatte ich viel Spaß. Aber wo ich drehe, hängt immer von der Geschichte ab, die ich erzählen möchte. Genauso gehe ich bei Schauspielern vor – sie müssen in die Geschichte passen. In „Inglourious Basterds“ tauchen deshalb viele deutsche Stars auf, die ich alle sehr schätzen gelernt habe und mit denen ich gern wieder arbeiten würde. Insofern ist es nicht ausgeschlossen, mal einen Film zu drehen, der nur Berlin als Schauplatz hat.
Vor Ihnen drehte Tom Cruise hier und spielte in „Operation Walküre“ den Hitler-Attentäter Stauffenberg. Warum wollten Sie die Rollen der Deutschen nicht mit Amerikanern besetzen?
Nichts gegen Tom Cruise, aber das wäre für mich nicht in Frage gekommen. Die Entscheidung, alle Deutschen auch von Deutschen spielen zu lassen und in der eigenen Sprache sprechen zu lassen, stand für mich fest, bevor die Rollen besetzt wurden. Schwierig war nur, den geeigneten Darsteller für Hans Landa zu finden. Da wäre ich fast verzweifelt, bis Christoph Waltz den Raum betrat. Da wusste ich, wir haben unseren Mann gefunden.
Viele deutsche Schauspieler sträuben sich dagegen, Nazis zu verkörpern.
Das kann sein, dennoch ist Landa einer der besten Charaktere, die ich je geschrieben habe. Es ist schon etwas Besonderes, wenn auch der Zuschauer Angst vor dem Bösewicht empfindet. Wenn der sich dann auch noch so charmant und charismatisch wie Landa gibt, fühlt man sich verwirrt und ist teilweise sogar auf seiner Seite, weil man wissen will, wie er den Plan der Helden vereiteln könnte. Man wünscht sich den Showdown, wenn Gut und Böse aufeinander prallen.
Da Sie selbst die deutsche Sprache nicht beherrschen, fragten Sie Regisseur Tom Tykwer, ob er Ihre Dialoge aus dem Englischen übersetzen würde. Warum ihn?
Tom ist ein guter Freund von mir, und anfangs fragte ich ihn nur, ob er mir einen guten Übersetzer empfehlen könnte, der sich wirklich an meine Vorlage halten und keine Eigenkreativität beim Umformulieren entwickeln würde. Tom sagte, er wird sich mal umhören. Als er mich dann wieder anrief, meinte er, er übersetzt meine Texte selbst, er vertraut keinem anderen.
Christoph Waltz haben Sie in der Szene, in der er Diane Kruger erdrosselt, nicht vertraut. Es sollen Ihre Hände sein, die man da sieht.
Das stimmt! Die Strangulierung einer Person vor laufender Kamera kann sehr gekünstelt wirken. Ich finde, wenn, dann muss es richtig aussehen, man muss also tatsächlich zudrücken. Kontrolliert und ohne die üblichen ewigen Wiederholungen. Aber es ist kein Spaß mehr, einem Menschen die Luft abzudrücken. Das ist eine heikle Situation, die ich weder einem Schauspieler noch einem Stuntman zumuten möchte. Als Regisseur kann ich nur mir selbst vertrauen, und Diane Kruger musste mir vertrauen, und das tat sie auch.
Markus Tschiedert