Des Daseins finstere Abgründe
Artiges Textaufsagen: Albert Ostermaiers "Radio Noir" im Theater ... und so fort
Mit „Trau dich!“ befiehlt der Türsteher dem Zuschauer, die nackten Stellen einer jungen Frau mit einem Filzstift zu beschriften – der Begriff „Textkörper“ bekommt so eine ganz eigene Bedeutung. Es ist eine Art Vorspiel zum Mitmachen, denn die fragmentarisch in Schwarz Gehüllte ist die Nighttalkerin, die gleich die von Sex bis Selbstmord durch die Nacht getriebenen Seelen nur durch Text einfangen wird. Sie heißt Parthenope, wie eine der Sirenen in Homers „Odyssee“, deren betörender Gesang aus stolzen Seefahrern Schiffbrüchige macht.
Sprachgewaltiger Egotrip
Der 46-jährige Münchner Autor Albert Ostermaier wird als „Lyriker und Dramatiker“ geführt, was in „Radio Noir“ besonders deutlich wird: Der Monolog ist ein langes Gedicht, das ebenso sprachgewaltiger Egotrip ist wie Horrortrip durch die finsteren Abgründe des Daseins. Die Gleichzeitigkeit von Lyrik und Drama schränkt aber die Bühnentauglichkeit auch ein. Wenn der Text als Spielvorlage funktionieren soll, ist er darauf angewiesen, dass die Schauspielerin die vielen fein getuneten Töne zwischen schlichtem Psycho-Gequassel und wahnsinnsnaher Selbstzerstörung findet.
Noelle Cartier van Dissel allerdings findet sich in dem von Regisseur Heiko Dietz ebenso unwirklich wie unwirtlich gestalteten Raum des Theaters... und sofort kaum selbst. Von der Verruchtheit der Eingangssituation bleibt nicht mehr als artiges Textaufsagen.
Mathias Hejny
Theater ...und sofort, Kurfürstenstraße 8, bis Samstag, 20 Uhr, Karten unter Tel.23219877
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