Der Wunsch-Münchner
Er liebte Münchner Bier, besonders das Spaten-Pils. Was für einen Mann aus Wien noch nichts Außergewöhnliches ist. Aber doch eine genehme Voraussetzung, um hier dauerhaft die Zelte aufzuschlagen. Das jedenfalls hatte Gustav Mahler zeitweise ganz ernsthaft vor, erfährt man in der Ausstellung im Deutschen Theatermuseum. Einer Schau zum 100. Todesjahr, die sich – das gleich vorweg – wohltuend intensiv um den Komponisten und Operndirektor kümmert und nicht dauernd mit Gattin Alma das Glamour-, Klatsch- und vor allem Sex-Fangnetz auswirft. So, wie man es von so mancher Beziehungsdoku und diversen Biografien zum Jubiläum gewohnt ist.
Nun also geht’s um die Musik – das hört man schon an der Museumskasse und sieht es ein paar Schritte weiter auf hübschen kleinen Bildschirmen: Allerlei bekannte Dirigenten von Pierre Boulez bis Zubin Mehta beschreiben in kurzen Filmausschnitten ihre Erfahrungen mit Mahler. Und schwärmen nicht selten von ihrer Leidenschaft. Bis auf den köstlichen, in jeder Hinsicht eigenwilligen Michael Gielen äußern sich auch die Deutschsprachigen unter ihnen auf Englisch. Das ist schade, freut aber den Besucher aus Japan.
Ein innovativer Opernlenker und sein Bühnenbildner
Die minutiöse Job-Biografie des lange verkannten Komponisten, aber erfolgreichen Dirigenten bestimmt den Fortgang der Ausstellung. Die kommt übrigens aus Wien, und also ist auch das Wirken an der dortigen Hofoper ein Schwerpunkt. Der Bogen spannt sich von den Anfängen in Laibach und Kassel bis zum desaströsen, von Intrigen und Presseschlachten begleiteten Ende des innovativen Wiener Opernlenkers. Die Entwürfe seines kongenialen Bühnenbildners Alfred Roller zählen zum Reizvollsten dieser Schau. Manches mag aus heutiger Sicht antiquiert, ja betulich wirken. Damals, in den 1910er Jahren, war das sorgfältige Auseinandersetzen mit dem Werk, die Überführung von Inhalten ins Visuelle revolutionär.
Darüber hätte man gerne etwas mehr erfahren. Überhaupt ist man im Verlauf immer wieder auf den fundierten Katalog angewiesen. Das Gros der Objekte erklärt sich kaum von allein, mancher Kommentar dürfte ausführlicher sein, einiges ist nur mit Mühe zu lesen. Nicht erst in den oberen, abgedunkelten Räumen mit imposanten Kostümen wie etwa dem Mantel der Ortrud aus dem „Lohengrin“ oder Rollers virtuosen Skizzen. Und natürlich dem wichtigsten Exponat – aus Münchner Sicht: der Partitur-Reinschrift der achten Symphonie, die sonst in der Bayerischen Staatsbibliothek liegt.
Die Kunst wird in München "capabel" erfüllt
Das ist dann auch der Anknüpfungspunkt an Mahlers Wunschstadt: 1910 wurde dieses Riesentrumm uraufgeführt, in der Messehalle auf der Theresienhöhe. Die Vorläufer der Münchner Philharmoniker, die Musiker des Kaim-Orchesters, kämpften sich wacker durch die vertrackte Partitur. Dokumentiert ist das auch durch eine vergnügliche Karikatur aus der Zeitschrift „Jugend“. Mahler wundert sich über die Leere im Publikum und erhält als Antwort: „Wir brauchen ja den letzten Schwanz zur Aufführung.“
Ganz so schlimm war’s bekanntlich nicht, das Konzert und seine Wiederholung am Tag darauf wurden ein grandioser Erfolg. Auch das wird Gustav Mahler dieses München, in dem man sich so griechisch fühle und wo die Kunst so „capabel“ erfüllt werde, versüßt haben.
Bis 18. September, Katalog 29.90 Euro (Brandstätter Verlag)