Der wahre Fall hinter „Tannöd“
Am Donnerstag startet der Kinofilm. Das ZDF zeigt am Vorabend das Dokudrama „Hinterkaifeck“ des Münchner Filmemachers Kurt K. Hieber. Er begibt sich mit Fürstenfeldbrucker Polizeistudenten auf die Suche nach dem sechsfachen Mörder
Da geht’s ja zu wie in Hinterkaifeck.“ Diesen Satz hörte Kurt K. Hieber als Kind oft. „Der war bei uns im Dorf für chaotische Familienverhältnisse reserviert“, erzählt der Filmemacher der AZ. Ganz in der Nähe von Gröbern bei Schrobenhausen ist Hieber aufgewachsen. In Gröbern stand der Einödhof Hinterkaifeck, der grausige Berühmtheit erlangte, weil alle seine sechs Bewohner – darunter zwei Kinder – in der Nacht zum 1. April 1922 bestialisch erschlagen worden waren.
Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt – und nicht nur seit Andrea Maria Schenkels Bestseller „Tannöd“ geistert die Geschichte in vielen Köpfen. Der Film zum Buch kommt am Donnerstag in die Kinos.
„Der Fall hat alle Elemente einer griechischen Tragödie. Und das mitten in Bayern, im tiefsten Hinterland“, sagt Hieber, der bereits 1991 seine erste Doku über den Fall gedreht hat. Es geht um Inzest, Eifersucht und Religion. Bei den Getöteten handelt es sich um das Austragsbauernpaar Andreas und Cäzilia Gruber, die verwitwete Tochter Viktoria, deren Kinder Cäzilia (7) und Josef (2) sowie die Magd. Der kleine Josef war unehelich, Gerüchte besagen, vom eigenen Großvater gezeugt. Andere Indizien deuten darauf hin, dass Ortsvorsteher Lorenz Schlittenbauer sein Vater war.
Auch wenn die Münchner Mordkommission den Täter nie fand, für sie war schnell klar: Die Hinterkaifeck-Bewohner wurden Opfer eines Raubmords. Dass Bargeld und Wertgegenstände auf dem Hof zurückgelassen wurden, störte sie scheinbar nicht. Doch 15 Fürstenfeldbrucker Polizeischüler wollten es genauer wissen. Für eine Studienarbeit haben sie die Unterlagen noch einmal zusammengetragen. Ihre Suche begleitet Hiebers Film genau so wie die Recherchen der selbsternannten Internet-Soko „Hinterkaifeck“. Zu Tage kommt vor allem eine unglaubliche Schlamperei der Ermittler. Nicht einmal Fingerabdrücke – damals durchaus üblich – hat man gesichert.
Hiebers Dokudrama zeigt, wie unwahrscheinlich die Raubmord-Variante ist. Vieles deutet darauf hin, dass die Opfer ihren Mörder gekannt haben. Außerdem dürfte sich der Täter auf dem Hof ausgekannt haben: Es gibt keine Einbruchspuren. Keines der Opfer hat Abwehrverletzungen. Die Tatwaffe – eine sogenannten Reuthaue – gehörte dem Altbauer selbst, das spricht für eine Kurzschlusshandlung. Das Vieh wurde noch nach dem Mehrfachmord versorgt.
„Für mich habe ich den Fall längst gelöst“, sagt Hieber. Einen letzten Beweis kann er den Zuschauern zwar nicht präsentieren. Und auch das Ergebnis der Studenten-Studie ist unter Verschluss. „Aber die Spuren, die wir zeigen, sprechen schon ein eindeutige Sprache.“ Und so zitiert Hiebers Film Ortsvorsteher Schlittenhuber, der neun Jahre nach der Tat noch einmal vernommen wurde: „Ich sag’s ganz offen. Die Leute waren nicht gut. Da hat der Herrgott schon die Hand am rechten Ort gehabt.“
Angelika Kahl
ZDF, 18. November, 23.30 Uhr