Der wahre Dschungelheld

1925 verschwand der britische Wissenschaftler und Abenteurer Percy Fawcett im Amazonasgebiet – ein packendes Sachbuch erinnert an ihn, Brad Pitt hat sein Schicksal verfilmt
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1925 verschwand der britische Wissenschaftler und Abenteurer Percy Fawcett im Amazonasgebiet – ein packendes Sachbuch erinnert an ihn, Brad Pitt hat sein Schicksal verfilmt

Über die „Aufgaben“ im RTL-Dschungelcamp hätte er nur gelacht. So komfortabel wie die Schar der vorgeblichen Prominenten hat Percy Fawcett keinen Tag im Dschungel verbracht. Aber der Amazonas und seine Nebenläufe waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts so etwas wie die Rückseite des Mondes – fast vollständig unerforscht. Die überaus spannende Biografie des Amerikaners David Grann erinnert nun an diese ganz große Forscherpersönlichkeit. Wer etwas über den Kampf der Menschen mit der Natur wissen möchte, darf getrost auf RTL verzichten und sollte „Die versunkene Stadt Z“ lesen.

Der 1867 geborene Fawcett war ein Kind des viktorianischen Zeitalters. Er wuchs auf in einer Epoche, als Entdeckungen und Erfindungen fast täglich den Ruhm des Empires mehrten. Nach Jahren als Soldat in Ceylon 1900 ließ sich Fawcett an der Royal Geographical Society zum Forscher ausbilden und bestand die einjährige Schulung in Astronomie, Geometrie und Landvermessung mit Bravour. „Alles, was ihm jetzt noch fehlte, war eine Mission."

Die Regierung schickte den frisch gekürten Forscher als Spion nach Marokko. Erst fünf Jahre später erhielt er seinen ersten wissenschaftlichen Auftrag. Er sollte die Grenze zwischen Bolivien und Brasilien vermessen, um die es schwere Konflikte gegeben hatte.

Unverwüstliche Konstitution

Fawcett drang mit seinen Begleitern immer tiefer in den Dschungel ein. Nicht die Anacondas, Piranhas oder elektrischen Aale schreckten die Männer, sondern die Sandflöhe, Blutegel, Vampirfledermäuse und Moskitos trieben sie fast in den Wahnsinn, wenn sie nicht ohnehin an Malaria starben. Oder, wie ein Späher der Gruppe, von 42 Pfeilen der Indianer durchlöchert wurde.

Einer aber litt ein bisschen weniger als der Rest: Percy Fawcett war mit einer Konstitution gesegnet, die seine Mitstreiter bald verfluchten. Ständig trieb er das Team an und hackte sich mit seiner Machete, Meter um Meter durch den Dschungel. Während seine Männer mit Geschwüren zu kämpfen hatten und von Wunden übersät waren, blieb Fawcett auf fast wundersame Weise von den schlimmsten Übeln verschont. Er war überzeugt, dass die Erforschung des Amazonasbeckens geografisch und anthropologisch weitaus wichtiger und psychisch und physisch wesentlich strapaziöser war als die „öde Regionen ewigen Eises“ deren Eroberung die Welt weitaus begieriger wahrnahm.

Schon bald verfolgte Fawcett einen eigenen Plan: Er wollte eine versunkene Hochkultur entdecken, von deren Existenz er vollkommen überzeugt war. Schließlich ging es auch um einen bis heute schwelenden wissenschaftlichen Streit: Gab es im Amazonasgebiet je eine so hoch entwickelte Zivilisation?

Von den Indianern lernen

So besessen Fawcett auch war, sein „El Dorado“ im Amazonasbecken zu finden, so wesentlich unterschied er sich von all den anderen weißen Sklavenjägern oder Kautschukbaronen, die tief in den Urwald vorgedrungen waren. Er suchte den friedlichen Kontakt zu Indianern und profitierte von den Heilmethoden und Jagdtechniken, die er von ihnen lernte. Schließlich war der Hungertod eine der größten Bedrohungen bei den mehrmonatigen Expeditionen und erst nach Jahren gelang es Fawcett, inmitten des vermuteten Überflusses auch Tiere zu fangen.

Insgesamt sieben Mal reiste er nach Südamerika, 1925 gemeinsam mit seinem Sohn und dessen Freund. Sie kehrten nicht mehr zurück. Dutzende Menschen starben bei der Suche nach dem inzwischen weltbekannten Dschungelforscher, sein Nachruhm spiegelt sich in Theaterstücken und Romanen wider. 1941 entdeckte Hollywood mit Bing Crosby und Bob Hope das Thema, Tim und Struppi begegneten Fawcett zumindest im Comic und der Brite ist auch der Grund, warum Brad Pitt 2010 monatelang mit einem seltsamen Ziegenbart die Frauen schockte: Pitt spielt Fawcett in einem selbst produzierten Film.

Volker Isfort

David Grann: „Die versunkene Stadt Z" (Kiepenheuer & Witsch, 390 Seiten, 19.95 Euro)

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