Der Verdränger

Eine kleine Medienrevolution: Günther Jauch kehrt nun doch in die ARD zurück und bekommt für seine neue Talkshow den prominenten Sendeplatz von Anne Will am Sonntag
von  Abendzeitung

Eine kleine Medienrevolution: Günther Jauch kehrt nun doch in die ARD zurück und bekommt für seine neue Talkshow den prominenten Sendeplatz von Anne Will am Sonntag

Um 13.13 Uhr schicken zeitgleich die ARD und RTL Pressemitteilungen nach draußen: „Günther Jauch ab 2011 im Ersten“ lautet die eine, „Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen Günther Jauch und RTL“ die andere. Jetzt hat es die ARD also doch geschafft und Deutschlands erfolgreichsten Moderator zurück in die öffentlich-rechtliche Heimat geholt: Jauch wird die neue Anne Will, er übernimmt ihren Sendeplatz am Sonntagabend. Er darf weiterhin bei RTL „Wer wird Millionär?“ moderieren und hört mit „Stern TV“ auf. „Anne Will“ soll mit ihrer Talksendung einen anderen Sendeplatz bekommen, versichert die ARD, und löst damit weitreichende Änderungen im Programm aus.

„Schön, dass es im zweiten Anlauf geklappt hat“, lässt Jauch ausrichten, er freue sich auf seine Sendung. Immer wieder hatte die ARD nach dem verpatzten Deal von 2007 an Jauch hingesägt. Im Februar hieß es aus ARD-Kreisen, man sei bereit , Jauch alle Forderungen zuzugestehen. „Solange er nur irgendwas in der ARD macht.“ Die Verhandlungen liefen unter dem Motto „Hauptsache, Jauch kommt“.

Offensichtlich erfolgreich. ARD-Programmdirektor Volker Herres feixt: „Mit Jauch geht’s auch“, in Anlehnung an die Aussage seines Vorgängers Günter Struve: „Ohne Jauch geht’s auch“, hatte der 2007 gesagt, nachdem der Vertrag mit Jauch geplatzt war. Schon damals hätte Jauch die Politshow am Sonntagabend moderieren sollen, als Nachfolger von Sabine Christiansen. Jauch wollte das auch, und das Ganze wurde schon an die Öffentlichkeit gegeben, bevor es richtig verhandelt war.

Gremien voller Gremlins

Jauch wollte damals weiter „Wer wird Millionär?“ und „Stern TV“ bei RTL moderieren und weiterhin Werbung machen – andere politische Journalisten einschließlich Vorgängerin Sabine Christiansen durften das nicht. Das Erste gestand Jauch Werbung zu. Auf keinen Fall aber wollte der WDR dulden, dass Jauch mit „Stern TV“ ein journalistisches Format bei der Konkurrenz hat.

Die ARD wollte die Sendung in die Abteilung „Politik“ stecken, Christiansen lief noch unter „Unterhaltung“. Jauch wusste, dass er dann dem ewigen Zugriff der Chefredakteure der Landesanstalten ausgeliefert gewesen wäre. Mit der „politischen Farbenlehre“ wie er sagte, wollte er nichts zu tun haben. Jauch sagte ab und ätzte hinterher: Er habe sich umzingelt gefühlt von „Gremien voller Gremlins, Irrlichtern, Profilneurotikern und Wichtigtuern“.

Jetzt darf Jauch, wie er will. Und Anne Will darf nicht mehr. Für sie ist Jauchs Verpflichtung ein Schlag ins Gesicht. Erst vor wenigen Tagen hatte ARD-Chef Volker Herres sie ob ihrer Spitzenquoten jubelnd in die Sommerpause verabschiedet. 4,22 Millionen Zuschauer hatte sie 2010 im Durchschnitt, 2009 waren es noch 3,8 Millionen gewesen, 2008 nur 3,6. „Die Gesprächsrunde am Sonntagabend ist für ein Millionenpublikum unverzichtbar“, hat Herres da geflötet, bezeichnenderweise, ohne Wills Namen zu sagen. Jetzt wird sie weggedrängt, obwohl sie steigende Quoten hat – und bessere als Plasberg.

Für Jauch tun die Gremlins viel

Will war schon seit ihrem Antritt enorm unter Beschuss. Anfangs dokterte sie am Konzept herum, führte zum Beispiel eine Art „Betroffenen-Couch“ ein, auf der keine Politiker sitzen, sondern ganz normale Menschen. Sie wurde wieder abgeschafft, in Wills Redaktion drehte sich das Personalkarussell. 2008 kam ein internes Papier an die Öffentlichkeit: Der ARD-Programmbeirat (in Jauch-Sprache: die Gremlins) kritisierte Anne Wills Diskussionsschema als „starr“ und warf ihr mangelnde Innovation vor. Will reagierte sauer und verwies darauf, dass sie schließlich bessere Quoten habe als ihre Mitbewerber.

Jetzt soll sie einen neuen Sendeplatz bekommen: Ab 2011 will das Erste von Montag bis Donnerstag einheitlich um 22.15 Uhr die „Tagesthemen“ zeigen, danach soll es um 22.45 Uhr eine Gesprächssendung geben. Das könnte heißen: Neben Beckmann (Mo), Maischberger (Di), Plasberg (Mi), bliebe für Anne Will der Donnerstag. Dann allerdings in Konkurrenz zu ZDF-Frau Maybrit Illner.

Im neuen Schema steckt noch mehr Zündstoff: Plasberg nämlich liefe dann Mittwochs statt um 21.45 erst um 22.45 Uhr. Zweitens: Harald Schmidt bräuchte einen neuen Sendeplatz. Denn der läuft jetzt Donnerstags um 23 Uhr. In der ARD-Pressemitteilung steht geheimnisvoll: „Comedy und Satire werden weiter ihren Platz im Ersten haben.“ Auf Nachfrage heißt es: kein Kommentar. Offenbar tut man für Jauch wirklich viel.

Tina Angerer

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