Der Swing beginnt zu schweben
Den Schwaben muss die drohende Tragödie im Nacken sitzen – das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart soll mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden fusionieren. Womit wieder ein Paradebeispiel der weltweit gepriesenen deutschen Orchesterkultur flöten geht. Endgültig beschlossene Sache ist das seit September, doch davon war in der Philharmonie nichts zu spüren. Im Gegenteil. Jetzt erst recht schien das Motto des RSO, das unter seinem neuen Wuschelkopf-Dompteur Stéphane Denève weiter am legendären Stuttgart-Sound bastelt.
Mit dem Unterschied, dass der aufregend trockene Swing der Norrington-Ära leichtfüßiger geworden ist, fast über den Dingen schwebt. In Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin” nahm das die feinsten, in ihrer Genese kaum noch zu erahnenden Texturen an. Ein Schleier der Erinnerung an längst vergangene Zeiten begann zu flirren, so wie der Nebel in den Tuilerien von der Morgensonne animiert wird, sich in schillernden Pirouetten aufzulösen. Heiterkeit mischte sich in die Melancholie – damit war zu Beginn schon der Höhepunkt des Abends erreicht, der wohl erst mit Ravels „La Valse”-Wahnwitz geplant war. Und selbst das in Töne gesetzte Siechtum in Richard Strauss’ „Tod und Verklärung” gewann bei den Stuttgartern versöhnliche Eleganz.
Nur Mozarts Klavierkonzert in C-Dur KV 467 hätte etwas mehr Bodenhaftung vertragen. Der erst 17-jährige, ungemein sensible Jan Liesicki (wer hat ihm nur die Glitzerkrawatte umgehängt?!) bemühte sich zwar um Prägnanz, aber die moll-Einbrüche kamen zu harmlos daher. Da dürfen noch ein paar Jahre ins Land gehen, aber der junge Mann hat ja Zeit.