Der Straßenköter hat die Schnauze voll

Westernhagen kommt nach vier Jahren zurück – mit einem Album, das viel zu perfekt ist
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Westernhagen kommt nach vier Jahren zurück – mit einem Album, das viel zu perfekt ist

Er ist zweifellos ein deutscher Held, er hat einen eigenen, sehr speziellen Rockertyp mitgebildet und ist dabei in einer Liga mit Grönemeyer und Maffay gelandet (wo er sicher nie hinwollte), er hat seinen eigenen Größenwahn definiert und Stadien bespielt. Dann war er als Künstler verbrannt, was ihm, wie er einst in „Bar bezahlt“ sang, ja auch erstrebenswerter erschien „als so’n leiser Furz zu sein“. Vor einem Jahr wurde er 60 Jahre alt, spielte einige umjubelte Geburtstagskonzerte, wurde aber ansonsten nicht wirklich vermisst.

Nun – vier Jahre nach „Nahaufnahme“ – legt der noch recht jugendlich aussehende Marius Müller-Westernhagen wieder ein Album vor: „Williamsburg“, benannt nach dem New Yorker Stadtteil, in dem es entstand. Es ist auf übelste Art eine Platte vom Feinsten.

Nichts als Oberfläche

Westernhagen lässt spüren, wie sehr er es unbedingt nochmal wissen will: Er röhrt und stöhnt, er schreit und summt, wie man es nunmal so macht, wenn eine Platte sich „an den Ursprüngen“ orientieren soll, also an Blues und Rock in allen Spielarten – und Westernhagen ist ein vortrefflicher Sänger. Die US-Studiomusiker, die er um sich geschart hat, sind allesamt Könner ihres Fachs, insbesondere liefern sie die gesamte Palette schöner amerikanischer Rock-Gitarren (nur ohne Rock).

Da gibt es die Liebesschnulze mit Akkordeongewimmer („Typisch du“), da rührt man brünstig in großen Gefühlen („Zu lang allein“, „Heute Nacht“), macht einen auf Straßenköter („Wir haben die Schnauze voll“) und immer wieder sülzen die Background-Chöre. Das ist so perfekt wie alle Platten, die zu Hit-Alben aufpoliert werden (nur ist dieses ohne Hit). Westernhagen redet von der großen Erdung und bleibt doch ein tragischer Gefangener seiner Hybris und seines Pathos’. So eröffnet er die CD: „Es ist das Leben, an dem wir kleben / Es ist die Hölle, die uns droht / Revolution! / Wer will das schon?“ Nö, will hier keiner.

Vieles klingt wie Blues, manches wie Rhythm & Blues. Es ist das aber nicht und schon gar kein Rock’n’Roll. Westernhagen sagt, es sei seine Pflicht „als Künstler Risiken einzugehen“. Wann will er damit anfangen?

Michael Grill

Westernhagen: „Williamsburg“ (Kunstflug Records); live in der Olympiahalle am 11. 10. 2010, Tickets über 01805 / 570000

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