Der Stern strahlt alleine

Bayreuther Festspiele: Neue Zutaten hauchen Tankred Dorsts „Ring“-Inszenierung kein Leben ein. Umso mehr will Christian Thielemann glänzen
von  Abendzeitung

Bayreuther Festspiele: Neue Zutaten hauchen Tankred Dorsts „Ring“-Inszenierung kein Leben ein. Umso mehr will Christian Thielemann glänzen

Über die „Ring“-Inszenierung von Tankred Dorst ist alles gesagt, doch ein Fazit sei erlaubt: Auch fünf Jahre „Werkstatt Bayreuth“ können eine Leiche höchstens noch auf schön schminken. Beleben letztlich nicht. Auch in diesem letzten Jahr gibt es einen neuen Fingerzeig hier, einen neuen Lichtkegel dort, einen Gang dorthin... Und doch lähmt die Nicht-Personenregie über weite Strecken die Akteure und das Publikum, das ohne Rücksicht aufs Lebenswerk das Regieteam herzhaft ausbuht.

Berichtenswertes aber gibt es von der Sängerfront: Johan Botha kommt als Siegmund in der „Walküre“ zu seinem überfälligen Bayreuth-Debüt. Und zeigt schon mit den ersten Tönen seines Heldentenors, welcher Hohn es war, diese Partie in den ersten Jahren dieses „Rings“ an Endrik Wottrich zu verschwenden.

Intelligente Klang- und Ressourcenverwaltung

Auch Edith Haller – in den vergangenen Jahren über Freia und Gutrune jetzt zu einer recht unstet singenden Sieglinde in der „Walküre“ aufgestiegen – räumt mächtig ab. Und noch ein heftig beklatschtes Debüt bleibt eher lauwarm: Der aus Kanada stammende Tenor Lance Ryan ist darstellerisch eine Frischzellenkur für den ersten „Siegfried“-Akt – leider fehlen ihm die schönen Bögen („Waldweben“), er klingt neben dem Mime von Wolfgang Schmidt wie der zweite, stimmlich besser verfasste Charaktertenor auf der „Siegfried“-Bühne.

Ansonsten erlebt man intelligente, selten leidenschaftliche Klang- und Ressourcenverwaltung: Wotan Albert Dohmen spart im „Rheingold“ mächtig für die nächsten Abende, um gelegentlich auf den Punkt zu kommen, Linda Watson ist eine mindestens mütterliche Brünnhilde, die schöne lyrische Momente mit starken Spannungsverlusten abwertet und dann doch die „Götterdämmerung“ souverän durchmisst.

So ist der „Ring“ auch in diesem Jahr eine One-Man-Show, und Christian Thielemann am Pult des auf ihn völlig eingeschworenen Festspielorchesters tut manchmal schon des Guten zu viel: Das „Rheingold“ gelingt nicht rund, in der „Walküre“ – seiner 100. Vorstellung auf dem Grünen Hügel – zelebriert Thielemann aufregende Details, und macht doch mit ständigem „Stop and go“ den Sängern das Leben schwer. Im „Siegfried“ spitzt er das erste und dritte Aufzugsfinale im Tempo so zu, dass es mit bestem Willen kaum noch artikulatorisch zu bewältigen ist – und setzt in der „Götterdämmerung“ mit einer grandiosen Schlusssteigerung noch einmal sein Ausrufezeichen hinter diesen „Ring“. Thielemann ist ein Stern, der alleine strahlen muss: An manchen sehr orchesterverliebten Stellen in diesem Abschlussjahr konnte den Zuhörer das ungute Gefühl beschleichen, dass dies dem Dirigenten gar nicht unrecht war.

Claus Ambrosius

Sendetermine in BR-Klassik: 3. August, 18.05 Uhr: "Die Walküre"; 10. August, 18.05 Uhr: "Siegfried"; 17. August, 18.05 Uhr: "Götterdämmerung"; kostenloses Public Viewing der "Walküre" am 21. August auf dem Festplatz in Bayreuth ab 16 Uhr

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