Der Sombrero-Clown
Mit Schmettern, Plaudern und exzessivem Busseln bezirzt Startenor Rolando Villazón seine treuen Fans in der Philharmonie. Und schwenkt für allerletzte Zweifler die mexikanische Fahne
Er ist ein Stehaufmännchen. Im Sommer sagte er zwei von drei „Liebestrank“-Aufführungen bei den Festspielen im Nationaltheater ab. Dann gab Rolando Villazón einen desolaten Liederabend in Salzburg und ließ sich von Wiener Opernverpflichtungen entbinden.
Anscheinend hat er sich wieder einmal berappelt: Beim ersten mexikanischen Schlager wirkte die Höhe noch angestrengt. Dann hatte sich der Sympath warm gesungen. Er schmetterte machtvoll wie eh, obwohl in den zwischendrin erzählten Anekdoten eine mikrofonverstärkte Heiserkeit zu vernehmen war.
Die Lieder aus seiner Heimat sang er ohne technische Nachhilfe. Natürlich lässt sich weiter trefflich darüber streiten, ob eine gut geölte Opernstimme zu solchen Schmonzetten passt, die am besten in einer Cantina zu Rauch und Mezcal genossen werden. Das in dieser Hinsicht besonders problematische „Cucurrúcucú, Paloma“ ließ Villazón allerdings weg, obwohl der Text im Programm abgedruckt war.
Die Philharmonie gefällt ihm, naja
Am besten gelang dem Schmerzensclown das Verlassenheitspathos von Daniel Catáns „Comprendo“ und ein Eifersuchtsduett mit dem Trompeter des 12-köpfigen Bolívar Ensembles. So sehr das kultiviert-unsentimentale Spiel der Herren auf Platte überzeugt: Live fehlte den entfernt an Kurt Weill orientierten Arrangements doch etwas jener klangliche Schmutz, der nach einem Wort von Nikolaus Harnoncourt das Schönste an der Musik ist.
Allerliebst plauderte Villazón in gebrochenem Deutsch. Fehlende Worte ließ er sich vom Flötisten oder auch einer Dame aus der ersten Reihe soufflieren. Am Ende lieh er sich aus dem Parkett-Block C für das unvermeidliche „Celito lindo“ mit den „Ay, ay, ay“-Jodlern eine mexikanische Fahne und busselte alle erreichbaren Frauen ab.
Wie es sich im Popgeschäft gehört, lobte Villazón zur Begrüßung nicht nur das zahlreich erschienene Publikum, sondern auch den „wunderbaren Saal“. Damit liegt er zwar auf einer Linie mit unserem ebenso wunderbaren OB Christian Ude. Der redete zuletzt wieder beim Festakt zum 25-jährigen Bestehen dieses untauglichen Kulturbunkers die Akustik schön. Bevor Villazón nun noch SPD wählt, sollte er sich mal auf die teuren Plätze in der Reihe 8 setzen. Da klingt der Tenor schon ziemlich weit weg. Unermüdliche wird das nie schrecken. Aber ein junges, mit Powermusik aufgewachsenes Publikum kommt da nur einmal und nie wieder.
Robert Braunmüller
Villazóns CD „Mexico!“ bei DG
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