Der Sinatra unserer Zeit

Wenn ein Michael Jackson-Fan wie Frank Sinatra singt: In der ausverkauften Olympiahalle startet der kanadische Jazz-Sänger Michael Bublé seine phänomenale Deutschland-Tournee
von  Abendzeitung

Wenn ein Michael Jackson-Fan wie Frank Sinatra singt: In der ausverkauften Olympiahalle startet der kanadische Jazz-Sänger Michael Bublé seine phänomenale Deutschland-Tournee

Nach diesem Auftritt traut man dem Mann fast alles zu: Selbst ein Lady Gaga-Medley des Jazz-Schmuse-Sängers hätte die Zuschauer kaum mehr verwundert. Das gab es zwar in der ausverkauften Olympiahalle nicht – denkbar wäre es aber gewesen, als sich Michael Bublé plötzlich in Michael Jackson verwandelte, den Moonwalk tanzte und „Billie Jean“ sang. Seine Ansage: „Wenn ihr ein klassisches Konzert wollt, dann geht in die Oper.“

Ausgerechnet mit der Imposanz einer Wagner-Oper wallen die Wogen jedoch gleich zu Beginn des Auftritts, als Bublé in Begleitung seiner Bigband „Cry Me A River“ donnert. Ironie à la Bublé, denn die Fans sollen ihn richtig kennenlernen.

Smart wie James Bond, der Traum jeder unverheirateten Frau und Liebling aller Schwiegermütter – auf der Bühne will er seine wilde und verrückte Seite herauslassen. Die Tour ist nach seinem aktuellen Album benannt: „Crazy Love“. Ganz so verrückt ist Bublé allerdings dann doch nicht – schließlich hat er keinen Fledermäusen den Kopf abgebissen. Doch Bublé ist ein großartiger Entertainer, der nicht nur sein Publikum mit Witz und Charme unterhält, sondern auch mit seiner wunderbar-samtigen, leicht näselnden Stimme umzugehen weiß. Berühmte Jazz-Klassiker wie „Mack The Knife“, „Save The Last Dance For Me“ und natürlich die Sinatra-Nummer „For Once In My Life“ sind auch für einen Michael Jackson-Fan Pflicht.

Er flaniert durch die Reihen

Mit diesen Gesangsnummern verdient es der 34-jährig Kanadier, als der Frank Sinatra unserer Zeit bezeichnet zu werden. Doch Sinatra war sicher nicht so witzig wie Bublé. Auf eine sympathische Weise nimmt er sich so gar nicht ernst. Er veralbert das Publikum, erzählt Anekdoten aus seiner Kindheit, von seinem Lieblingsfilm „Ferris macht blau“ und erklärt seinen Verlobungsring an der linken Hand.

„Everything“, der Song aller verliebten Paare im Publikum, kommt leider etwas schwach daher – im Vergleich zu den restlichen Songs, die Bublé voller Leidenschaft von der Bühne schmettert, wie etwa „You Don’t Know Me“. Das wahre Potenzial des sogenannten „Crooners“, dem Jazz-Chansonnier, zeigt sich, als Michael Bublé zur Überraschung aller auf einmal die Bühne verlässt, singend mitten durch die Zuschauerreihen flaniert und etwa in der Mitte des Saales auf ein Podest steigt. Begleitet wird er dabei von seiner Vorband Naturally 7, die für sich alleine schon einen Konzertbesuch wert gewesen wäre.

Dort singt er, lediglich begleitet von einer Akustik-Gitarre, die Komposition eines Freundes: „The Best Of Me“ – und zeigt dabei sein Bestes. Das ist Bublés Geheimnis: Obwohl er in einer riesigen Halle vor 15000 Leuten steht, schafft er es, eine so intime Atmosphäre zu erzeugen wie in einer Hotelbar mit Cognac und Zigarre.

Nadja Mayer

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