Der Session-Mann
Steve Lukather prägte den Toto-Sound und spricht über sein Leben im Rock’n’Roll. „All’s Well That Ends Well“ heißt sein neues Album
In der Lobby des Sofitel Munich am Hauptbahnhof: Er strahlt, als man sich begeistert über die Gitarrentricks auf seinem neuen Album äußert. Am 11. November kommt der ehemalige Toto-Mann Steve Lukather mit dem neuen Album „All’s Well That Ends Well“ ins Backstage.
AZ: Mr. Lukather, Sie sind durch ein hartes Jahr gegangen, haben sich scheiden lassen und Ihre Mutter starb...
STEVE LUKATHER: Ich habe aufgehört zu trinken und zu rauchen. Wenn du in die 50er kommst, musst du dein Leben neu justieren. Es gab einfach Sachen, die mir nicht gefielen.
Was denn?
Ich könnte mich für die Sauferei vermöbeln. All die Partyjahrejahre holen einen Typen in meinem Alter ein. Eines Tages wachte ich auf und hatte eine Zigarette und ein Bier um zehn Uhr morgens. Und ich dachte: Das ist echt beschissen. Ich ließ es sein. Es gab keine Entzugskur oder so was.
Ist es der Rock’n’Roll, der zum ungesunden Leben verführt?
Nach der Show stürzt du aus der höchsten Höhe ab. Wie kommst du da runter? Du nimmst ein paar Drinks. Die führen zu ein paar mehr Drinks. Und plötzlich merkst du: Du bist jede beschissene Nacht betrunken. Wenn du zwanzig bist, springst du einfach wieder auf. Wenn du älter wirst, tut es weh.
Einer Ihrer Songs heißt „Don’t Say It’s Over“.
Das war eine Reaktion auf den Niedergang meiner Ehe. Ich war allein in einem Hotelzimmer. Das sind tiefe und persönliche Texte. „Brody’s“ und „Watching The World“ dagegen reflektieren, wie ich die Welt beobachte. Ich bin ja nicht mehr 20, gehe in Clubs und kümmere mich einen Dreck, was um mich herum geschieht. Bei mir ist ein viertes Kind unterwegs.
2008 haben Sie mit Toto gebrochen.
Ich war der Einzige, der aus meiner Highschool-Band übriggeblieben war. Alle anderen waren gute Musiker, aber einfach nur Ersatz. Ich trank zu der Zeit viel, weil ich so unglücklich war.
Ihr zweiter Song ist eine Verbeugung vor Steely Dan.
Steely ist durch alle Zeiten eine meiner Lieblingsbands. Ich hab den Song Anfang des Jahres in einem Hotelzimmer in Japan geschrieben.
Sie haben nie mit Steely Dan gespielt.
Ich habe mit ihnen einzeln gespielt und wurde gefragt, die Asia-Tour 1977 mitzumachen. Aber es kam nie dazu. Es wurde zu einem Running Gag. Ich rufe Walter Becker an und sage: Ich warte auf deinen Telefonanruf, was ist los. Ich zahle euch was, um ein Solo auf einer Steely-Dan-Platte zu spielen. Aber jetzt finde ich – leckt mich. Ich schreibe meinen eigenen Steely-Dan-Song. Das sage ich mit Respekt und Liebe, das sind für mich Platten für die einsame Insel.
Sie haben auf über 1500 Platten gespielt.
So sagt man. Irgendwas in dem Dreh. Es sind viele.
Was ist denn das Besondere daran, Session-Mann zu sein.
Ich traf vor Jahre Jimmy Page. Marshall-Amplifiers hatten eine Veranstaltung. Er nahm mich beiseite und sagte: Ich hab’ ein paar Interviews mit dir gelesen. Die machen dich fertig, weil du Session-Musiker bist. Die Leute verstehen nicht, was ein Session-Musiker ist. Ich war einer, in den 60ern. Sei stolz darauf... Ich hatte Tränen in den Augen.
Wie war Michael Jackson?
Der war lässig. Die Menschen wissen nicht, dass Toto so viel mit diesen Platten zu schaffen hatten. „Human Nature“ war Toto mit Michael Jacksons Gesang. „Beat It“, das waren ich und Jeff Porcaro. Eddie van Halen spielte das Gitarrensolo, aber ich spielte Bass und die Rhythmusgitarre. Aber niemand hat uns je erwähnt.
Ihr Verhältnis zur Musikindustrie ist nicht das beste.
Die haben es ruiniert. Ich sag das seit 20 Jahren, jetzt ist es eingetroffen. Die gierigen Motherfucker wurden mit Megamillionen fürs Nichtstun bezahlt. Sie haben halt riesige Egos. Walter Yetnikoff war President von CBS. Und der schreibt in seinem Buch: Ich war der President. Ich habe keine Ahnung von Musik. Ich kann einen Hit-Song nicht von einem Shit-Song unterscheiden. Und jeden Künstler, den ich unter Vertrag genommen habe, habe ich über den Tisch gezogen. Das sagt der in seinem Buch. Ist das nicht abgefuckt?
Christian Jooß
Neues Album: „All’s Well That Ends Well“; Konzert: 11. November 2010 im Backstage.