Der sechste Beatle

Jahrelang sorgte Geoff Emerick bei den Beatles für den guten Ton – bis er sie 1968 verließ. Jetzt hat er ein Buch über seine Zeit mit den Pilzköpfen geschrieben. Ein Gespräch über heimliche Experimente und die wahre Geschichte hinter „Ob-La-Di, Ob-La-Da“.
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Jahrelang sorgte Geoff Emerick bei den Beatles für den guten Ton – bis er sie 1968 verließ. Jetzt hat er ein Buch über seine Zeit mit den Pilzköpfen geschrieben. Ein Gespräch über heimliche Experimente und die wahre Geschichte hinter „Ob-La-Di, Ob-La-Da“.

AZ: Mr. Emerick, haben Sie es Mr. Barlow vom Arbeitsamt oder Pink Floyd zu verdanken, dass Sie Toningenieur der Beatles wurden?

GEOFF EMERICK: Dem netten Mr. Barlow. Er war es, der mir, einem Jungen von 15 Jahren, das Vorstellungsgespräch bei EMI besorgt hat. Dass ich später Toningenieur der Beatles wurde, hat allerdings indirekt mit Pink Floyd zu tun. Norman Smith, der die Beatles von 1962 bis 1965 aufgenommen hat, wollte die frühen Pink Floyd produzieren. Man konnte aber nicht gleichzeitig Produzent und Toningenieur sein. So kam es, dass ich für die Beatles-Aufnahmen verantwortlich wurde.

In Ihrem Buch beschreiben Sie die EMI-Studios, die heute als Abbey-Road-Studios weltberühmt sind, als einen muffigen Ort, der genau das Gegenteil von Pop war.

Das war ein Abbild der englischen Klassengesellschaft. Als ich 1962 dort anfing, hatten das Sagen die Leute von der Klassik. Auf die kleine Pop-Fraktion blickte man herab. Und es gab Regeln für alles. Von der Platzierung der Mikrofone über die Kleidung bis hin zum Verhalten gegenüber den Musikern. Schuhe mussten glänzen, Krawatte war Pflicht, und die Anzugjacke durfte man im Tonstudio nur dann ablegen, wenn man um Erlaubnis gebeten hatte.

Beim Lesen Ihres Buches gewinnt man den Eindruck, dass für den Toningenieur vor allem John Lennon eine Herausforderung darstellte.

John hatte ganz genaue Vorstellungen, wie etwas klingen sollte. Vor allem seine Stimme. Die Vorgabe war: Mach’ es so, dass ich nicht nach mir klinge. Das fing schon bei meinem ersten Song an: „Tomorrow Never Knows“ auf dem Album „Revolver“. Da wollte Lennon, dass er so klingt, als würde der Dalai Lama von einem weit entfernten Berggipfel herunter singen. Damals hatten wir keine Software oder irgendwelche Effektgeräte, durch die man seine Stimme hätte filtern können. Was wir hatten waren Mikrofone, ein Mischpult, vier Tonspuren und eine Echo-Kammer. Das war’s! Wir mussten deshalb das tun, was bei EMI eigentlich verboten war: herumexperimentieren.

Und wie bekamen Sie den Dalai Lennon hin?

Wir haben seine Stimme durch die im Kreis rotierenden Lautsprecher einer Leslie-Orgel gejagt.

Und Sie sagten niemals „Nein, das geht nicht“?

Die Beatles haben einfach erwartet, dass sich ihr Sound genauso fortentwickelt wie ihr Songwriting. Es blieb einem gar nichts anderes übrig, als alles zu versuchen.

Welche Einspielung war das größte Erlebnis für Sie?

„A Day In The Life“. Uns lief es kalt den Rücken herunter, als Lennon zum ersten Mal darüber sang. Noch stärker war der Eindruck, nachdem wir das berühmte Orchester-Crescendo eingefügt hatten. Keiner im Studio hatte jemals einen solchen Pop-Song gehört.

Für Elvis Costello waren Sie bei „Sergeant Pepper“ der Co-Produzent des Albums. Dabei hat man Sie auf dem Plattencover nicht einmal erwähnt.

Das war noch nicht üblich. Immerhin habe ich später einen Grammy als Toningenieur von „Sergeant Pepper“ bekommen.

Wann haben Sie gemerkt, dass die Beatles sich auseinander entwickeln?

Am Tag vor ihrem Abflug nach Indien hatten sie „Hey, Bulldog“ eingespielt. Da herrschte noch allerbeste Stimmung. Als sie aus Indien zurückkamen, hatten sie sich in zornige Typen verwandelt, die auf einmal doppelt so laut spielten. Das hat meinen Job auch nicht leichter gemacht.

Wenn man „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ hört, vermutet man nicht, dass ausgerechnet bei diesem Song alles überkochte.

Lennon hat diese Nummer gehasst! Während der Aufnahmen zum „White Album“ wurde mir der Streit zu viel. Am nächsten Tag habe ich ihnen gesagt, dass ich aufhöre.

Was haben Sie empfunden, als dieses Album schließlich herauskam?

Ich habe es mir bis heute nicht angehört.

Wie das?

Es geht nicht. Ich habe so unglaublich schlechte Erinnerungen an diese Aufnahmen.

Haben Sie sich „Love“ angehört – den Beatles-Remix von George Martins Sohn?

Nein. Werde ich auch nicht.

Warum?

Mit diesem „Love“-Album ist es so, als würde jemand an einem großen Kunstwerk herumpfuschen. So was macht man nicht!

Verraten Sie uns zum Schluss, ob Sie der fünfte Beatle sind?

Wenn überhaupt, dann ist das George Martin. Und wenn es einen sechsten Beatle geben sollte, dann vielleicht Norman Smith und mich. Claus Lochbihler

Geoff Emerick mit Howard Massey: „Du machst die Beatles! Wie ich den Sound der Band neu erfand“ (Blanvalet Verlag,576 Seiten, 8.95 Euro)

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