Der Rolls Royce gibt Gas

Wo bleiben die Philis? Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks erreicht Platz 6 im „Gramophone“-Ranking der besten Klangkörper.
von  Abendzeitung

Wo bleiben die Philis? Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks erreicht Platz 6 im „Gramophone“-Ranking der besten Klangkörper.

Die Musiker sind ungeheuer enthusiastisch und spontan“, lobt Mariss Jansons. „Sie spielen jedes Konzert so, als wäre es ihr letztes. Für mich als Dirigent ist es, als würde ich einen Rolls Royce fahren. Dieses Orchester kann einfach alles.“

In München ist das BR-Symphonieorchester immer ein wenig wie der sprichwörtliche Prophet im eigenen Land: Es wird geschätzt, aber seines wahren Rangs als zweitbestes deutsches Konzertorchester nach den Berliner Philharmonikern sind sich selbst Fans nicht immer bewußt. Wer sich für Klassik weniger interessiert, verwechselt die Musiker leicht mit dem namensähnlichen Münchner Rundfunkorchester, dem vielseitigen Zweitklangkörper des Senders.

Nun wird der Ruf des 1949 gegründeten BR-Symphonieorchesters auch international bestätigt. In einer Umfrage der britischen Fachzeitschrift „Gramophone“ wählten Musikkritiker aus den USA, Holland, Frankreich, Korea und China die Musiker aus München auf Rang 6 einer Rangliste der weltbesten Orchester. Ihr Chefdirigent Mariss Jansons darf sich doppelt freuen: Das von ihm ebenfalls geleitete Concertgebouw-Orkest Amsterdam errang den ersten Platz.

Rückenwind für den Konzertsaal?

Am Telefon in St. Petersburg kam Jansons gleich auf seinen Herzenswunsch: „Meine Musiker sind die einzigen unter den ersten zehn, die keinen eigenen Saal haben“. Das BR-Symphonieorchester pendelt zwischen der Philharmonie und dem Herkulessaal, was dem Dirigenten die Planung nicht eben erleichtert. Mit dem Umbau des Marstallgebäudes hinter der Oper könnten die Musiker nach Jansons’ Überzeugung noch weiter an klanglicher Identität gewinnen und ihr Profil schärfen. Absurderweise fehlt Jansons übrigens auf einer aktuell kursierenden Unterschriftenliste internationaler Stars von Lang Lang über Anna Netrebko bis Pierre Boulez, mit dem ein vom Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser gegründeter Verein für einen neuen Konzertsaal im Marstall wirbt.

Und wo bleiben die Münchner Philharmoniker? Das auf einem Plakat am Hauptbahnhof mit einem Spruch von OB Ude als „musikalisches Kronjuwel der Stadt“ beworbene Orchester taucht in der Fortsetzung der Liste bis zur Nr. 20 nicht auf. Unter Christian Thielemann besetzen die Philis mit Brahms, Beethoven und Bruckner eine spezifisch deutsche Nische, die international wenig geschätzt wird. Der städtische Generalmusikdirektor ist außerdem ein Mann, dessen Aussagen, Vorlieben und Interpretationen unter Klassik-Fans regelmäßig heftige Debatten auslösen. So kantige Gestalten kommen in Umfragen nie besonders gut weg.

Anders als das BR-Symphonieorchester ist die städtische Konkurrenz auch am Plattenmarkt nur schwach vertreten, weil sich Thielemanns Aufnahmen nur schlecht verkaufen. Auch Kent Naganos Bayerisches Staatsorchester sucht man vergebens: Als Konzertorchester haben die wackeren Musiker der Oper nur lokales Profil.

Robert Braunmüller

Die Liste der Zeitschrift "Gramophone"

1. Concertgebouw-Orchester Amsterdam.

2. Berliner Philharmoniker

3. Wiener Philharmoniker

4. London Symphony Orchestra

5. Chicago Symphony Orchestra

6. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Und das wäre der Rest:

7. Cleveland Orchestra 8. Los Angeles Philharmonic 9. Budapest Festival Orchestra 10. Sächsische Staatskapelle Dresden 11. Boston Symphony Orchestra 12. New York Philharmonic 13. San Francisco Symphony 14. Mariinsky Theater Orchester St. Petersburg 15. Russisches National Orchester 16. St. Petersburger Staatsphilharmonie 17. Gewandhaus-Orchester Leipzig 18. Metropolitan Opera Orchestra 19. Saito Kinen Symph Orchestra 20. Tschechische Philharmoniker

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