Der Retter der Malerei

Gerhard Richter, einer der weltweit erfolgreichsten lebenden Künstler, ist am Mittwoch 80 Jahre alt geworden – seine Bilder mag er allerdings nicht erklären
Christoph Driessen |
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Gerhard Richter letzte Woche im Lipsiusbau in Dresden vor Werken aus seinem "Atlas", der sonst im Münchner Lenbachhaus zu sehen ist. Welche Künstler und ihre Werke ebenfalls "Geschichte" schreiben, sehen Sie hier...
dpa 12 Gerhard Richter letzte Woche im Lipsiusbau in Dresden vor Werken aus seinem "Atlas", der sonst im Münchner Lenbachhaus zu sehen ist. Welche Künstler und ihre Werke ebenfalls "Geschichte" schreiben, sehen Sie hier...
...Caspar David Friedrich, Leonardo da Vinci, William Turner: Viele Großkünstler waren bereits zu ihren Lebzeiten keine Unbekannten,  dass ihre Werke aber zum Teil Jahrhunderte nach ihrem Tod für Millionen von Dollar unter den Hammer kommen oder wahre Begeisterungsstürme auslösen würden, hätten sie wahrscheinlich nicht für möglich gehalten - eine kleine Bilderauswahl.
dpa 12 ...Caspar David Friedrich, Leonardo da Vinci, William Turner: Viele Großkünstler waren bereits zu ihren Lebzeiten keine Unbekannten, dass ihre Werke aber zum Teil Jahrhunderte nach ihrem Tod für Millionen von Dollar unter den Hammer kommen oder wahre Begeisterungsstürme auslösen würden, hätten sie wahrscheinlich nicht für möglich gehalten - eine kleine Bilderauswahl.
Paul Gauguins (1848-1903) Südsee Bilder: Darunter "Nave Nave Moe. Wunderquell" (Bild) aus dem Jahr 1894. Das wohl teuerste Bild aus dieser Reihe ist aber das Werk "Te Poipoi" - es wurde 2007 in New York für 39,2 Millionen Dollar verkauft.
dpa 12 Paul Gauguins (1848-1903) Südsee Bilder: Darunter "Nave Nave Moe. Wunderquell" (Bild) aus dem Jahr 1894. Das wohl teuerste Bild aus dieser Reihe ist aber das Werk "Te Poipoi" - es wurde 2007 in New York für 39,2 Millionen Dollar verkauft.
"San Matteo e l'angelo": Eines der drei Meisterstücke des italienischen Barockmalers Michelangelo Caravaggio(1573-1610), das in der Contarelli-Kapelle in Rom zu sehen ist.
dpa 12 "San Matteo e l'angelo": Eines der drei Meisterstücke des italienischen Barockmalers Michelangelo Caravaggio(1573-1610), das in der Contarelli-Kapelle in Rom zu sehen ist.
Caspar David Friedrich das Gemälde "Kreidefelsen auf Rügen" Das um 1818 entstandene populäre Gemälde zeigt drei Menschen an der Klippenkante der Kreidefelsen auf Rügen und gilt unter anderem als Allegorie auf die Liebe des Künstlers zu seiner jungen Frau Caroline. Es gehört zu den bedeutendsten Werken der Romantik und ist ausgestellt im Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten in Winterthur.
dpa 12 Caspar David Friedrich das Gemälde "Kreidefelsen auf Rügen" Das um 1818 entstandene populäre Gemälde zeigt drei Menschen an der Klippenkante der Kreidefelsen auf Rügen und gilt unter anderem als Allegorie auf die Liebe des Künstlers zu seiner jungen Frau Caroline. Es gehört zu den bedeutendsten Werken der Romantik und ist ausgestellt im Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten in Winterthur.
Der spektakuläre Kunstraub von Edvard Munchs (1863-1944) "Madonna" und "Der Schrei" aus dem Osloer Munch-Museum 2004, haben nicht zuletzt diesen Werken ihren Mythos verliehen. Am hellichten Tag wurden die Bilder gestohlen, blieben mehrere Jahre unauffindbar. Dann am 31. August 2006 konnten sie von der norwegischen Polizei sichergestellt werden und sind nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten wieder im Munch-Museum ausgestellt.
dpa 12 Der spektakuläre Kunstraub von Edvard Munchs (1863-1944) "Madonna" und "Der Schrei" aus dem Osloer Munch-Museum 2004, haben nicht zuletzt diesen Werken ihren Mythos verliehen. Am hellichten Tag wurden die Bilder gestohlen, blieben mehrere Jahre unauffindbar. Dann am 31. August 2006 konnten sie von der norwegischen Polizei sichergestellt werden und sind nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten wieder im Munch-Museum ausgestellt.
Francisco de Goya (1746-1828): "Die Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808" (r.), ausgestellt im Prado in Madrid. Das Werk zeigt mit erbarmungsloser Härte das gewaltsame Ende der französischen Besatzung in Spanien (1808-1813). Entstanden ist das Gemälde 1814 und hat eine stolze Größe von 2,55 x 3,45 Meter.
dpa 12 Francisco de Goya (1746-1828): "Die Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808" (r.), ausgestellt im Prado in Madrid. Das Werk zeigt mit erbarmungsloser Härte das gewaltsame Ende der französischen Besatzung in Spanien (1808-1813). Entstanden ist das Gemälde 1814 und hat eine stolze Größe von 2,55 x 3,45 Meter.
"Guernica" gehört, neben "Les Demoiselles d’Avignon", zu Pablo Picassos (1881-1973) bekanntesten Gemälden. Es zeigt die Zerstörung der spanischen Stadt Gernika durch den Luftangriff der deutschen Legion  während des Spanischen Bürgerkrieges - zu sehen im Museo Reina Sofía in Madrid.
dpa 12 "Guernica" gehört, neben "Les Demoiselles d’Avignon", zu Pablo Picassos (1881-1973) bekanntesten Gemälden. Es zeigt die Zerstörung der spanischen Stadt Gernika durch den Luftangriff der deutschen Legion während des Spanischen Bürgerkrieges - zu sehen im Museo Reina Sofía in Madrid.
Gustav Klimts (1862-1918) "Goldene Frau" hat 2010 der US-Unternehmer Ronald Lauder für über 130 Millionen Dollar für das Museum "Neue Galerie" in New York erworben.
dpa 12 Gustav Klimts (1862-1918) "Goldene Frau" hat 2010 der US-Unternehmer Ronald Lauder für über 130 Millionen Dollar für das Museum "Neue Galerie" in New York erworben.
"Die Nachtwache" des niederländischen Großkünstlers Rembrandt van Rijn (1606-1669). Ein gigantisches Bild (363 x 437cm), das im Rijksmuseum in Amsterdam hängt.
dpa 12 "Die Nachtwache" des niederländischen Großkünstlers Rembrandt van Rijn (1606-1669). Ein gigantisches Bild (363 x 437cm), das im Rijksmuseum in Amsterdam hängt.
Zum Rekordpreis von mehr als 5,8 Millionen Pfund (umgerechnet rund 8,4 Millionen Euro) ist das Aquarell des britischen Malers William Turner (1775-1851) "The Blue Rigi: Lake of Lucerne, Sunrise" 2006 versteigert worden - mehr Geld wurde für ein Turner-Aquarell bis dato noch nie bezahlt.
dpa 12 Zum Rekordpreis von mehr als 5,8 Millionen Pfund (umgerechnet rund 8,4 Millionen Euro) ist das Aquarell des britischen Malers William Turner (1775-1851) "The Blue Rigi: Lake of Lucerne, Sunrise" 2006 versteigert worden - mehr Geld wurde für ein Turner-Aquarell bis dato noch nie bezahlt.
Last but not least - Wer kennt sie nicht: Die "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci (1452-1519) im Louvre in Paris. Das Werk ist zwar unverkäuflich, aber ihr Versicherungswert wird auf über 700 Millionen Dollar geschätzt.
dpa 12 Last but not least - Wer kennt sie nicht: Die "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci (1452-1519) im Louvre in Paris. Das Werk ist zwar unverkäuflich, aber ihr Versicherungswert wird auf über 700 Millionen Dollar geschätzt.

Gerhard Richter, einer der weltweit erfolgreichsten lebenden Künstler, ist am Mittwoch 80 Jahre alt geworden – seine Bilder mag er allerdings nicht erklären

Manches Malergenie wurde erst nach seinem Tod entdeckt, weil die Zeitgenossen seine Bedeutung noch nicht zu erkennen vermochten. Gerhard Richter aber ist es vergönnt, schon zu Lebzeiten als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ („The Guardian“) oder „Europas größter moderner Maler“ („ New York Times“) gerühmt zu werden.

Auf Ranglisten der wichtigsten Künstler stand er oft auf Platz 1. Seine Gemälde erzielen Rekordpreise. Am Mittwoch feierte der in Dresden geborene Richter seinen 80. Geburtstag. In der Neuen Nationalgalerie in Berlin öffnet ihm zu Ehren am 12. Februar das „Gerhard Richter Panorama“ mit rund 150 Gemälden aus allen Schaffensperioden. Das Gerhard Richter Archiv in seiner Heimatstadt Dresden versammelt in der Ausstellung „Atlas“ Fotografien, Zeitungsausschnitte, Skizzen und Entwürfe, die der Künstler über Jahrzehnte zusammengetragen hat. Richter selbst sieht Lobeshymnen auf sich eher skeptisch.

Auch mit Sammlern, die Millionenbeträge für seine Werke zahlen, kann er nichts anfangen. „Ein guter Sammler ist für mich jemand, den ich noch nie getroffen habe“, sagte er. Die einhellige Begeisterung der Kunstwelt für Richter steht dabei in einem merkwürdigen Gegensatz zu der Ratlosigkeit, mit der das große Publikum seine Bilder betrachtet. Die „Kerze“ zum Beispiel, die im Oktober zwölf Millionen Euro erzielte, wirkt geradezu banal. Was soll daran nun so toll sein?

„Zu der Zeit, als Richter 1961 aus der DDR in den Westen floh, sprachen viele vom Ende der Malerei“, erläutert die Kunstbuchautorin Angela Wenzel aus Düsseldorf. Wenn es um möglichst realistische Abbildungen ging, war die Malerei der Fotografie hoffnungslos unterlegen. Und auch das, was Impressionisten und Expressionisten gemacht hatten – die Welt ganz subjektiv durch die eigene Brille zu sehen oder das eigene Gefühlsleben auf der Leinwand auszubreiten - schien ausgereizt. Richter gilt heute als derjenige, der der Malerei doch wieder eine neue Bedeutung gegeben hat.

Er belebte altbekannte Genres neu: Landschaften, Seestücke, Porträts, Aktbilder, Stillleben – wie die „Kerze“ – oder auch Historienbilder: Beispiele dafür sind sein RAF-Zyklus oder sein Gemälde zum 11. September.

„Seine Wolkenbilder erinnern sogar an religiöse Malerei, da fehlen eigentlich nur noch die Engelchen“, meint Wenzel. „Richter hat das alles wieder aufgegriffen, aber eben ganz anders als vorher.“ Viele seiner Gemälde sind verwischt und erscheinen diffus. Damit wendet er sich gegen die scheinbare Objektivität der Fotografie. Fotos können ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermitteln: So ist die Wirklichkeit und nicht anders. Richter meint: „Wir sehen doch nur, wie es unser Linsen-Apparat Auge zufällig vermittelt.“ Ein bekannter Ausspruch von ihm lautet: „Alles sehen, nichts begreifen.“

Die Menschen des 21. Jahrhunderts wissen so viel wie nie zuvor, aber nur wenige würden wohl für sich in Anspruch nehmen, die Welt durchschauen zu können. Richter kann es auch nicht. Wenn man ihn fragt, was er dem Betrachter mit seiner Kunst sagen will, pflegt er zu antworten: „Gar nichts.“ Und doch: Seine Malerei ermutigt dazu, genauer hinzusehen.

Ein Vorbild für viele jüngere Künstler wurde Richter dadurch, dass er sowohl gegenständlich als auch abstrakt malt. In den 60er Jahren war das undenkbar – abstrakte und realistische Maler standen sich geradezu feindselig gegenüber. Heute gilt auch dank Richter: alles geht. „Es gibt für mich keinen Unterschied zwischen einer Landschaft und einem abstrakten Bild“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Bei einem gegenständlichen Bild male ich den Anblick einer vorhandenen Sache, bei einem abstrakten formt sich allmählich das Bild einer Landschaft, die ich nicht kenne. Aber die Mittel sind die gleichen.“

Jeden Tag steht er Stunden in seinem Atelier, einem bunkerähnlichen Riegelbau im Kölner Villenviertel Hahnwald. An jedem Werk tüftelt er lange herum. So besteht sein Fenster für den Kölner Dom aus 72 Farbtönen, deren Anordnung von einem Zufallsgenerator zusammengestellt worden ist. Richter beließ es nicht dabei. Nach langem Probieren entschied er sich dafür, nur die eine Hälfte des Fensters vom Rechner auszulosen, die andere aber zu spiegeln. Das Ergebnis überzeugt auch Skeptiker. An einem sonnigen Tag wirft das Fenster ein wunderbares Farbenspiel auf die Mauern und Säulen der Kathedrale.

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