Der Rasenmäher macht uns kaputt

Die bayerische Staatsregierung spart mit der Brechstange. Dies gefährdet die hohe Qualität der Münchner Oper: Intendant Nikolaus Bachler schlägt Alarm
von  Abendzeitung

Die bayerische Staatsregierung spart mit der Brechstange. Dies gefährdet die hohe Qualität der Münchner Oper: Intendant Nikolaus Bachler schlägt Alarm

Die Rettung der maroden Landesbank war der Staatsregierung 3,7 Milliarden wert. Dennoch hält sie am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts fest. Kürzlich gingen die Staatsbibliothek und die Unis wegen des strikten Sparkurses auf die Barrikaden. Aber auch für die Theater brechen karge Zeiten an.

AZ: Herr Bachler, Oper ist Luxus. Warum sollte der Staat nicht bei Ihnen sparen?

NIKOLAUS BACHLER: Weil wir schon mit dem Rücken zur Wand stehen. Die Bayerische Staatsoper ist künstlerisch und wirtschaftlich die lebendigste Kulturinstitution in Deutschland. Das Sparen mit dem Rasenmäher macht ein gesundes, blühendes Unternehmen kaputt.

Die bisherigen Haushaltssperren haben Sie lockerer weggesteckt?

Die staatlichen Zuschüsse sinken seit 2002. Wie mein Vorgänger Peter Jonas nahm ich es als sportive Aufgabe, dies durch gesteigerte Einnahmen aufzufangen: Wir haben die Preise erhöht, den Anteil des Sponsorings verdreifacht und uns mit Rücklagen gerettet. Der Staat glaubt aber, dass sich diese Schraube endlos weiterdrehen lässt.

Und wenn doch?

Man schickt uns bewusst ins Minus. Ich fordere nicht mehr Geld wie Daniel Barenboim in Berlin, sondern lediglich ein Ende der Kürzungen.

Um welche Beträge geht es?

Seit zehn Jahren gibt es keinen Ausgleich für Kostensteigerungen im Sachetat, wie im Energiebereich und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Haushaltssperre 2009 brachte uns eine Kürzung von 1,5 Millionen. 2010 wird sie auf zwei Millionen steigen. Das sind etwa fünf Prozent des Gesamtetats, die mir für die Kunst fehlen. Wenn das fortgeschrieben wird, stellt sich die Systemfrage.

Und die lautet?

Dann ist ein großes Repertoiresystem nicht mehr möglich. Sponsoren geben Geld für die Kunst, nicht für die Reinigung. Dieser Grundkonsens darf nicht aufgekündigt werden. München und die Staatsoper versteht sich als kulturelles Zentrum Deutschlands. Diese Stellung ist in Gefahr.

Warum erhöhen Sie nicht die Preise?

Wir gehören europaweit bereits zu den Teuersten. Das lässt sich nur durchhalten, wenn wir künstlerisch auf höchstem Niveau bleiben oder noch besser werden wie London, Paris oder New York. Natürlich könnte ich Neuproduktionen ohne Gäste besetzen. Aber dafür wird niemand 170 Euro pro Karte zahlen. Außerdem muss ich Spitzenkünstler wie Jonas Kaufmann und Anja Harteros haben, wenn das Haus attraktiv sein will. Wenn ich an der Kunst spare, setzt das eine Abwärtsspirale in Gang, die sich nicht leicht zurückdrehen lässt.

Bisher sind sie doch gut durch die Krise gekommen.

Aber wir spüren sie stark. Die Sponsoren sind treu geblieben. Noch vor zwei, drei Jahren waren die teuersten Karten am schnellsten weg. Jetzt sind es die billigsten. Der Kartenverkauf lässt sich kaum steigern, weil wir ohnehin eine Auslastung von 90 Prozent und mehr haben.

Könnten Sie Stellen streichen?

Im Staatsorchester ist dies bereits 2003 geschehen. Das führt dazu, dass wir unseren Kulturauftrag nicht richtig wahrnehmen können: Wir können bestimmte Werke nur mehr mit Aushilfen spielen, zum Beispiel Wagner.

Ginge es nicht mit einer Neuinszenierung weniger?

Ich wollte in der laufenden Saison einen neuen „Rosenkavalier“ herausbringen. Der fällt bereits flach. Das Repertoire bildet zwar die Basis, aber Theater lebt von den Neuproduktionen. Als internationales Spitzenhaus müssen wir uns dem Vergleich stellen und im Gespräch bleiben. Die hohen Kosten für Oper entstehen durch das Personal und den Betrieb, weniger durch die Neuinszenierungen. München kann nicht zehn Jahre ohne Wagners „Ring“ sein. Genauso brauchen wir auch neue „Meistersinger“.

Haben Sie in den letzten Jahren mehr Geld für Sänger ausgegeben?

Eher weniger, weil wir die Leute schneller finden. Wir sind hart am im Verhandeln. Außerdem habe ich bei meinem Amtsantritt die Höchstgage abgesenkt.

In Italien finden manche Politiker, dass die Bürger ihre Oper selber bezahlen sollen.

Es gibt in Italien auch kein Sprechtheater mehr, kaum Oper und nur noch Rudimente von Bildung. Man kann Menschen gewiss auch lediglich nur mit Nahrung und in geheizten Räumen überleben lassen. Mit Zivilisation hat das nichts zu tun.

Spüren Sie politischen Rückhalt für Ihre Forderungen?

Ich habe gute Partner im Kunstministerium. Die bestimmen aber letztendlich nicht allein über Finanzen. Politiker sagen zu jedem Sportverein und zu jeder Kulturinstitution, sie sei unverzichtbar. Entscheidend ist, was in der Realität passiert. Die war in den letzten Jahren schneidend. Ich kämpfe dafür, dass die Zukunft nicht tödlich wird.

Robert Braunmüller

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