Der Racheengel hat Mitleid
Schokoladen-Mezzo Vesselina Kasarova landet endlich im dramatischen Fach
Vesselina Kasarova ist eine Nette. Ihre Fans nennen sie deshalb ja auch Vessi, was genauso ihrer hohen Kunst Tribut zollt. Die Bulgarin pflegt ihren sahnig-dunklen Schokoladen-Mezzo mit den bitteren Kakaosplittern und diesen Spuren von beerig-mildem rosa Pfeffer. Deshalb hat sie sich mit dem Einstieg ins dramatische Fach Zeit gelassen: Die Carmen in Zürich war letztes Jahr der Anfang, auf ihrer neuen CD „Passionate Arias“ gibt’s weitere Happen aus dem Repertoire der Furien und Racheengel, der Verschmähten und männermordenden Vamps.
Dass die Problem-Damen der Opernbühne für die Kasarova ein bisschen mehr als Stereotypie zu bieten haben, war zu erwarten. Doch dass man mit der Eboli (Verdis „Don Carlo“) Mitleid hat, passiert nicht alle Tage, und Mascagnis Santuzza („Cavalleria Rusticana“) scheint erstaunlich dünnhäutig. Auch Dalila, die gnadenlose Priesterin, ist sich ihrer grausigen Sache nicht immer so ganz sicher, besitzt Güte in dieser geballten Sinnlichkeit. Stimmlich ist die Kasarova gerade bei Saint-Saëns ganz zu Hause, und selbst ihre Manierismen machen Sinn. Das Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Giuliano Carella bleibt ziemlich dezent, und eigentlich nervt nur die männliche Zutat: Tenor Zoran Todorovich.
Mit knarrender Stimme und forcierter Höhe stört er den balsamischen Klangfluss – gerade bei der Carmen. Auch die ist keine echte Femme fatale. Denn im schwül-erotischen Brodeln der Habanera liegt eine gute Portion Verletzlichkeit, gepaart mit der Melancholie einer heimatlosen Verführerin. Mag sein, dass manchem da die Brisanz fehlt, Vessi hat dafür andere Facetten zu bieten. Und sie ist halt doch eine Nette.
Christa Sigg
„Passionate Arias“ (RCA Sony)