Der Pflicht wurde Genüge getan

Händels „Messias“ mit dem Tölzer Knabenchor unter Gerhard Schmidt-Gaden im Herkulessaal
von  Abendzeitung

Händels „Messias“ mit dem Tölzer Knabenchor unter Gerhard Schmidt-Gaden im Herkulessaal

Hier ist eigentlich nicht der Ort, um Nachhilfe in Musikgeschichte zu erteilen. Weil das Programmheft aber das Gegenteil behauptet, gestatten wir uns ausnahmsweise die Bemerkung, dass in der Uraufführung von Händels „Messias“ 1742 in Dublin die beiden Damen Mrs. Avoglio und Mrs. Cibber sowie die erwachsenen Altisten William Lamb und Joseph Ward die Sopran- und Alt-Arien gesungen haben.

Der Tölzer Knabenchor möchte die Besetzung aus den eigenen Reihen unbedingt historisch rechtfertigen. Aber im Unterschied zum Thomaskantor Bach setzte Händel Knaben nur im Chor ein, und falls er in einer der vielen Aufführungen etwas anderes versucht haben sollte (was umstritten ist), kehrte er doch wieder zu Damen, Altisten und Kastraten zurück.

Recht haben und recht bekommen

Nach einem halben Jahrhundert historischer Aufführungspraxis sollte allgemein bekannt sein, dass Musizieren und Rechthaberei zwei Dinge sind. Und daran haperte es. Die Aufführung bewies, dass die Besetzung mit Knabensolisten als Willensakt möglich ist, aber über den Reiz des Aparten kaum hinauskommt.

Im Kampf mit den vielen Koloraturen schafft auch der Tüchtigste höchstens ein Unentschieden. Bei einer guten Sopranistin kann die Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ ergreifen. Bei einem Knaben hat man Mitleid und dankt innerlich, wenn es vorüber ist.

Das Orchester schaut auf den Konzertmeister

Gerhard Schmidt-Gaden gilt als begnadeter Stimmerzieher. Als Gründer des seit 1956 bestehenden Chores ist er selbst ein musikhistorisches Monument geworden. Aber der 72-Jährige zollt zunehmend dem Alter Tribut.

Beim Orchester hielt er sich heraus. Die Musiker des Kölner Originalklangensembles „L’Arte del Mondo“ schauten nicht auf ihn, sondern zum Konzertmeister Werner Ehrhart. Erst im zweiten Teil des Oratoriums, bei den kompakten Passions-Chören, kamen die Tölzer mit ihrem kernigen Klang in Fahrt. Die tänzerische Leichtigkeit aber, der Reiz einer kleinen Besetzung, stellte sich nicht ein, weil Schmidt-Gaden lahme Tempi wählte und sie kaum variierte. Und so wirkte das Ganze leider wie eine freudlose Pflichtübung.

Robert Braunmüller

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