Der Motivationscoach
Furor lautet das Motto der kommenden Saisons des Münchener Kammerorchesters. Ob es gelingt, mehr Furor zu entfachen als in Beethovens Siebter unter Jörg Widmann im Prinzregententheater? Wohl kaum.
Der Komponist und "Associated Conductor" des Orchesters legte eingangs in der Konzertouvertüre "Con brio" seine Sicht auf den Klassiker dar: Sie ist schroff, brüsk und ganz auf das Heftige gerichtet. Das lyrische Seitenthema darf sich kaum entfalten.
In Beethovens Symphonie Nr. 7 inszenierte Widmann dann ein Reenactment von Carlos Kleibers leidenschaftlicher Deutung einschließlich der Sprünge von Leonard Bernstein. Der Dirigent schwitzte, die Emotion kochte, der Saal auch: Auf die gewaltige Entladung von Energie folgte naturgemäß stehender Beifall.
Denn Widmann versteht es, das Orchester zu einer Höchstleistung zu animieren. Kollateralschäden sind bei einer solchen radikalen Einseitigkeit unvermeidlich. Der Klang näherte sich mehr als einmal Schlägen mit einem stumpfen Gegenstand. Die Coda des ersten Satzes wackelte, auf dem dynamischen Höhepunkt des Allegrettos stimmte die Balance zwischen den gleichwertigen Stimmen der Streicher und Bläser nicht wirklich. Und im Finale wurde über die Wechselwirkungen von Stauung und Entladung brachial hinweggespielt. Und man kann auch kaum behaupten, dass die Tempowechsel besonders überzeugend gelungen wären.
Widmanns "Kinderreime und Nonsensverse" stammen aus seiner humoristischen Periode. Nur wenigen Komponisten ist Haydns Witz gegeben. Widmann rettet sich in diesem Stück in Stilzitate, Lautstärke, Derbheiten und musikalisches Schenkelklopfen. Das Publikum mochte es und schloss das etwas unterforderte Vokalensemble Amarcord in sein Herz. Was absolut nachvollziehbar ist.
Eine Uraufführung gab es auch: György Ligetis "Mifiso la sodo". Das Stück passte perfekt ins Programm, weil es ähnlich wie Beethovens Eroica beginnt. Darauf folgt hübsch gediegener neoklassischer Folklorismus im Stil von Bartók oder Zoltán Kodály. Kann man mal machen. Aber manches Jugendwerk bleibt doch besser im Archiv.
Und nun warten wir gespannt, mit welchem Furor das Münchener Kammerorchester im Herbst aufwartet. Eigentlich kann auf diese Siebte unter Jörg Widmann nur noch das Zertrümmern von Instrumenten oder des Mobiliars im Prinzregententheater folgen.
Infos zur kommenden Saison des MKO unter www.m-k-o.eu