Der Mann ist wirklich ein Hammer

Herkulessaal: Wie Bariton Erwin Schrott München mit Charme und Stimme erobert
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Herkulessaal: Wie Bariton Erwin Schrott München mit Charme und Stimme erobert

Er kam, sah und siegte. Der 35-Jährige aus Uruguay erschien im offenen Hemd, dankte mit erhobenem Arm für die Huldigung, küsste die Hand der Konzermeisterin und verführte mit Mozarts Registerarie den Herkulessaal.

Leporello verwandelte sich, von den Eroberungen seines Herrn berichtend, selbst in Don Juan. Erwin Schrott singt für jeden Einzelnen. Mal fixiert er eine Dame in der dritten Reihe, dann dreht er sich zum Rang und kokettiert wieder mit dem Parkett. Zuletzt liegen ihm alle zu Füßen.

Talentiert ist der Bassbariton ebenso zum Marktschreier wie zum Stilisten. Die Stimme tönt noch gewaltiger als das Charisma. Obwohl Schrott dazu neigt, sich aufs ungeschlachte Material zu verlassen, gibt er doch jeder Figur eine eigene Klanggestalt: Vom durchtriebenen Leporello gelangt er über Figaros Menschlichkeit zur Einsamkeit des König Philipp aus „Don Carlos“. Mit anfechtbaren Französisch hält der Sänger auch hier, was seine Solo-Platte versprach: Mit absichtsvoll angerauhter Stimme verwandelt er sich in einen alten, tragisch-einsamen Mann.

Die Verlobte war auch da

Der Banco aus „Macbeth“ wirkte dagegen nur routiniert. Bei südamerikanischen Tangos griff Schrott zuletzt unter dem Stirnrunzeln der Puristen zum Mikrofon. Er tat das nicht, weil er es nötig hatte, sondern um weniger opernhaft zu klingen und bewies auch als Entertainer hohe Qualität. Weil dergleichen bei Opernsängern oft mit mangelnder oder nachlassenenden Kompetenz im Kerngeschäft zusammenfällt, wirken solche Ausflüge immer etwas anrüchig. Bei Schrott kam es zwar von Herzen, ein Teufel von Meyerbeer, Gounod oder Berlioz hätte aber mehr Spaß gemacht als solch lateinamerikanischer Weltschmerz.

Als Dulcamara hantierte der Sänger wörtlich wie im übertragenen Sinn mit einem kleinen Holzhammer: Nach der Versteigerung des Liebestranks servierte ein Bunny Wein. Nun ja, wenn er meint.. Das Konzertformat des Arienabends krankt jedoch nicht an der fehlenden Szene, sondern den lieblos und lärmig heruntergefiedelten Ouvertüren. Da Musiker der Staatskapelle Weimar sogar als Tango-Orchester brillierten, dürfte die Schuld beim taktschlagenden Carlo Montanaro zu suchen sein.

Unsere Chronistenpflicht gebietet, die diskrete Anwesenheit der Verlobten zu erwähnen. Aber eigentlich sollte nach diesem Abend verboten werden, Erwin Schrott als Mr. Netrebko zu handeln. Er hat es nicht nötig – er ist einfach zu gut.

Robert Braunmüller

Am 4., 6. und 10. 1. 2009 singt Erwin Schrott im Nationaltheater in „Carmen“ den Escamillo

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