Der Mann im satirischen Dauerdienst

Dieter Hildebrandt, Ikone des deutschen Kabaretts, feiert heute seinen 85. Geburtstag und macht einfach weiter wie immer
von  vi

Den Ehrenstern der AZ nahm Dieter Hildebrandt 2004 zwar gerne entgegen, aber nur, wenn dieser nicht als „Rentenbescheid” gemeint sei, wie er damals im Witzigmann-Palazzo der Münchner Kulturszene sagte. War er natürlich nicht. Es folgten etliche Ehrenpreise, von Hildebrandt mit dem Bonmot „Preise suchen unerbittlich ihren Träger” kommentiert.

Er schrieb neue Bücher („Nie wieder 80”), TV-Auftritte, die erste Solotour („Ich kann doch auch nichts dafür”) und sorgte überall für ausverkaufte Häuser. In München musste die Lach-und Schieß, die er 1956 mit Sammy Drechsel gegründet hatte, Zusatzvorstellungen in der Aula der Universität organisieren, um halbwegs die Ticketnachfrage bedienen zu können. Es ging vor dem Schalter in der Ursulastraße zu, als gäbe es nur hier den neuen iPod.

Erklären lässt sich das Phänomen ganz einfach. Hildebrandt ist weder altersmüde- noch milde und kann noch immer schneller sprechen als seine Gegner denken. Kabarett ist für ihn unverändert politische Aufklärung und keine Abfolge von Kalauern über Paarbeziehungen. Einzig das Auswendiglernen seiner sprachlichen Arabesken hat er aufgegeben, was den Livekünstler Hildebrandt mit seiner genialen Zettelwirtschaft aber eher stärkt als schwächt.

Schon seit Wochen scheitern Veranstalter, den Münchner noch für irgendeinen Abend in diesem Jahr zu gewinnen. Der rastlose Jubilar, ist ausgebucht.

In „Nie wieder achtzig” staunt der gebürtige Niederschlesier selbst über sein Alter: „Wenn man bedenkt, wie viele Krankenhäuser ich wieder verlassen konnte, wie viele Kantinen ich einigermaßen unbeschädigt überstanden habe, wie oft und wie gern ich mich als Kind schon totgelacht habe, wie viele Bundeskanzler, Präsidenten und Intendanten ich überlebt habe.” In seiner Show konfrontiert er das Publikum daher mit der Frage „Was ist optimistisch?”, um gleich die passende Pointe zu liefern: „Wenn ein 95-Jähriger zur Versorgeuntersuchung geht”.

Seine kabarettistische Karriere begründet Hildebrandt psychologisch: „So konnte ich meine Jugend nachholen, meinen Frust, meine Beschwerden, meine Wut, meinen Zorn und meine Freude loswerden.” Ab 1973 nicht nur auf der Bühne, sondern auch im TV, in den „Notizen aus der Provinz”, die er sechs Jahre später vom damaligen ZDF- Intendanten „beendet bekommen” hatte, wie Hildebrandt zurückblickend bemerkte. Doch der so Geschasste wechselte einfach zur ARD startete mit „Scheibenwischer” eine weitere Erfolgsgeschichte. Erst Ende 2003 – nach 23 Jahren und 144 Sendungen - verabschiedete er sich dann - und nahm später der Sendung nach einem kuriosen Streit mit Matthias Richling den Namen, weil er keine Comedy-Unterwanderung wollte.

In der TV-Satire hat derzeit ohnehin nach Hildebrandts Urteil das ZDF die Nase vorn. „Neues aus der Anstalt' mit Urban Priol und Erwin Pelzig ist die beste Sendung von allen.”

Am 11. Juni stellt Dieter Hildebrandt sein zweites Hörbuch „Es war einmal … meistens aber öfter – Politikerlügen brutalstmöglich aufgeklärt” in der Lach- und Schießgesellschaft vor. Karten Tel. 089/391997

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