Der langsame Zerfall eines Staatstheaters: Gammel am Gärtnerplatz
Münchens hübsches Zweit-Opernhaus in der Isarvorstadt braucht dringend eine Sanierung. Am Mittwoch entscheidet der Haushaltsausschuss – aber Hinterbänkler im Landtag grummeln wegen der hohen Kosten.
Die Foyers und der Zuschauerraum sind allerliebst, die Bühnentechnik läuft wie geschmiert. Wer im Staatstheater am Gärtnerplatz derzeit „Hänsel und Gretel“ oder die neue „Fledermaus“ genießt, ahnt kaum etwas vom maroden Zustand des Gebäudes. Außer ein Rohrbruch stinkt sich, wie schon öfter geschehen, bis zu den vorderen Parkettreihen durch.
Dass es so nicht weitergehen kann, bestreitet niemand. Die Kostüme und Bühnenbilder werden in extrem beengten Werkstätten hergestellt, die Künstlergarderoben muffeln. Im Juli brannte ein Starkstromkabel durch. Ein Dieselgenerator musste anrücken, um die Vorstellung von „My fair Lady“ zu retten. Mangels isolierter Fenster wird ins Freie geheizt. Und weil es im Haus keine Probebühne gibt, wird viel Zeit für Fahrten nach Harlaching vertrödelt, wo die Inszenierungen in einer Baracke einstudiert werden.
Im Herbst 2012 sollen die Bagger anrücken. Die Aufführungen werden in das Cuvilliés-Theater, die Reithalle oder das Prinzregententheater umziehen, die Verwaltung und Werkstätten kommen in die einstige Hochschule für Fernsehen und Film in Giesing. 60Millionen Euro wird der Umbau kosten, dazu kommen weitere 10Millionen für Umquartierung und Miete.
Bedenkenträger
Noch vor ein paar Jahren hätte diese Baumaßnahme glatt den Landtag passiert. Vor der heutigen Beratung im Haushaltsausschuss mehren sich jedoch Gerüchte, dass einige CSU-Hinterbänkler den Umbau stoppen wollen. Sie finden, dass der Staat zu viel Geld in München investiert.
Dieser uralte Vorwurf gehört zur Folklore der Landespolitik. Aber die Staatstheater sind nun mal in München. Soll man sie zur Strafe verrotten lassen? Außerdem ist viel zu wenig bekannt, dass der Freistaat seit 2005 etwa das Staatstheater Nürnberg mitbezahlt, das früher ein reines Stadttheater war. Auch ein kommunales Theater wie Würzburg wird zu einem Drittel vom Staat mitfinanziert, was nur nicht an die große Glocke gehängt wird.
Ein Aufschub der Renovierung des Gärtnerplatztheaters wäre für das Haus existenzbedrohend. Der geschäftsführende Direktor Matthias Hüttenhofer fürchtet, dass der Brandschutz irgendwann einmal nicht mehr mitspielt. Auch der künftige Intendant Josef Ernst Köpplinger, von dem sich Kunstminister Wolfgang Heubisch frischen Wind erwartet, könnte das Handtuch werfen.
70 Millionen sind natürlich happig. Aber die Renovierung spielt selbst Geld ein: Nach dem Umbau würde die Probenbaracke in einer der begehrtesten Wohnlagen Münchens frei. Das staatliche Grundstück in der Harthauser Straße, auf dem sich früher die Villa des NS-Funktionärs Rudolf Heß befand, soll 20 Millionen Euro wert sein. Das müsste auch Franken und sparsame Schwaben beruhigen.
Robert Braunmüller
Das Gärtnerplatztheater
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs München unaufhaltsam. Findige Investoren hatten die Idee, die neue Isarvorstadt durch ein Theater aufzuwerten. 1865 wurde das Gärtnerplatztheater als „Actien-Volkstheater“ eröffnet. Es geriet jedoch rasch in eine finanzielle Schieflage und wurde unter König Ludwig II. als dritte Hofbühne vom Staat übernommen.
Auf dem Spielplan des Theaters standen anfangs Operetten und Volksstücke. In der NS-Zeit kreierte Peter Kreuder als Musikdirektor einen opulenten Revuestil nach Berliner Vorbild. Einer der großen Stars war damals Johannes Heesters als Danilo in der „Lustigen Witwe“.
In den ersten Nachkriegsjahren war das Theater kurz mit der Staatsoper unter einer gemeinsamen Intendanz vereinigt. Seitdem stehen auch Spielopern von Mozart oder Lortzing auf dem Programm. Unter dem langjährigen Intendanten Kurt Pscherer (1964 – 1983) entwickelte sich das Theater zu einer volkstümlichen Alternative zur Staatsoper. Seine Nachfolger Hellmuth Mathiasek und Klaus Schultz gingen diesen Weg weiter. Der Vertrag des gegenwärtigen Intendanten Ulrich Peters wurde von Kunstminister Wolfgang Heubisch nicht verlängert. Sein Nachfolger wird der Österreicher Josef Ernst Köpplinger (derzeit Klagenfurt).