Der Kriegserklärer der Kulturen
Samuel P. Huntington,der amerikanische Politologe, starb im Alter von 81 Jahren
Kurz nach dem Mauerfall war das ohnehin schon simplifizierende Weltbild vom Kalten Krieg noch einfacher geworden. Francis Fukuyama schrieb mit der hanebüchenen These vom „Ende der Geschichte“, also dem Ende der ideologischen Konflikte, einen Bestseller. Der amerikanische Politologe Samuel P. Huntington widersprach dieser Erkenntnis 1993 in einem viel diskutierten Aufsatz in „Foreign Affairs“ und baute diesen aus: In seinem 1996 erschienenen bekanntesten Buch vertrat Huntington die These, dass nicht mehr Ideologien, sondern kulturelle und religiöse Unterschiede die Konflikte in der Ära nach dem Kalten Krieg prägen würden. Der „Kampf der Kulturen“ wurde in 39 Sprachen übersetzt. Die Zukunft war wieder voller Probleme und nicht – wie bei Fukuyama - rosarot. Huntington erntete viel Zustimmung und viel Kritik. Denn erstens widerspricht sein Weltbild den Menschen, die vom friedlichen Zusammenleben einer multikulturellen Gesellschaft überzeugt sind. Zweitens ähnelt Huntingtons letztlich nur auf acht kulturelle Identitäten aufgebautes Weltmodell eher einem Bausatz für Dreijährige und vernachlässigt zum Beispiel vollkommen die Auseinandersetzungen innerhalb einer Religionszugehörigkeit.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlebte Huntingtons These eine Renaissance, auch wenn sich der Autor selbst gar nicht bestätigt fühlte. Für ihn war es ein Angriff „gemeiner Barbaren gegen die Zivilisation“, doch die Bush-Regierung, verfolgte den Konfliktstrang „westliche und islamische Welt“ mit allem kriegerischen Nachdruck.
Huntingtons wissenschaftliches Erbe umfasst 17 Bücher und über 90 Fachartikel. Von 1977 bis 1978 war er unter US-Präsident Jimmy Carter für den Nationalen Sicherheitsrat tätig. 2007 zog sich Huntington nach 58 Jahren vom aktiven Lehrbetrieb an der Elite-Uni Harvard zurück. Heiligabend starb der Politologe auf der Insel Martha's Vineyard nahe Boston, Massachusetts. Er wurde 81 Jahre alt.