Der Klick zur Klassik

Mit ihrem Auftritt in sozialen Netzwerken setzt die Bayerische Staatsoper besondere Akzente: ein Opernkanal bei YouTube, Blog und Live-Streams – Münchens Orchester haben da Nachholbedarf
von  Marco Frei

Eigentlich ist alles klar wie Klößchenbrühe. Niemand würde jedenfalls ernsthaft bestreiten, dass auch für Orchester und Opernhäuser das Internet und die sozialen Netzwerke wie Facebook unverzichtbar geworden sind. Die Aufmerksamkeit lässt sich weltweit steigern, man kann ein viel jüngeres und sozial vielfältiges Publikum erreichen.

Indes verrät der Blick in die Münchner Klassikszene eines: Besonders weit ist man hier bislang noch nicht. So ist das BR-Symphonieorchester erst seit Dezember 2011 bei Facebook vertreten, noch später folgten die Münchner Philharmoniker. Besonders prickelnd oder gar originell sind beide Auftritte bislang nicht.

Bei der Bayerischen Staatsoper ist man da sehr viel weiter. Das zeigte sich auch auf der neuen internationalen Musikmesse „Classical: Next”, für die die Klassikbranche an diesem Wochenende in den Münchner Gasteig gekommen war. Mit der Carnegie Hall in New York präsentierte die Staatsoper ihre Internet-Projekte. Verstecken brauchte sich unser Opernhaus wahrlich nicht, im Gegenteil: Was Johannes Lachermeier seit 2009 für das Nationaltheater hier ausheckt, kam bei den internationalen Gästen richtig gut an – zumal Anna Kleeblatt die Projekte professionell und kurzweilig präsentierte.

Schon im Oktober 2009 fiel der Startschuss für die Auftritte der Staatsoper bei Facebook und Twitter, ein halbes Jahr früher wurde bei YouTube ein Opernkanal geschaltet. Seit April 2010 gibt es einen Blog, der bestens gepflegt wird. In Live-Streams lassen sich Opern-Aufführungen in der ganzen Welt mitverfolgen.

Über 11000 Fans hat die Staatsoper bei Facebook und Twitter, wöchentlich gehen über 81000 Zusprüche ein. Der besondere Clou ist das interaktive Spiel „Opern-Stadt-Land-Fluss” auf Facebook: Man muss eine Opernfigur erraten, den Komponisten oder die Todesart auf der Bühne.

Als Gewinn lockten zuletzt zwei „Aida”-Aufführungen in Verona und München, inklusive Flüge und Hotels. Wenn der Presse die neue Saison vorgestellt wird, kann das die Internet-Gemeinde live mitverfolgen. Und als im Januar eine Aufführung von Verdis „Don Carlo” mit Jonas Kaufmann, René Pape und Anja Harteros live im Netz übertragen wurde, haben sich weltweit fast 500000 Nutzer eingeklickt – die meisten aus Deutschland und den USA.

Auf die Live-Streams der BR-Symphoniker im Netz ist auch Johannes Grotzky stolz. „Dort kann ich sieben Tage lang mit Vor- und Rückspulmöglichkeit jedes gesendete Konzert im Internet nachhören”, sagt der Hörfunk-Direktor des Bayerischen Rundfunks. „Das schafft eine breitere Reichweite.” Allerdings gibt es einen Haken: Um die Homepage der BR-Klangkörper zu finden, sollte man besser Suchmaschinen nutzen. Wer es über die BR-Seite versucht, riskiert eine mühsame Klick-Odyssee.

Das Problem kennen auch andere deutsche Orchester, die zu großen Rundfunkanstalten gehören. Weil sie sich aus Gebühren finanzieren, ist es für sie rechtlich problematisch, kommerzielle Plattformen wie Facebook zu nutzen.

Und was ist mit dem geplanten neuen Konzertsaal? Auch der braucht heutzutage einen Ableger im Internet. Auf der „Classical: Next” wurde auch deutlich, dass bei der Planung die technischen Entwicklungen nicht vergessen werden sollten. Das Stichwort lautet „Digital Concert Hall”: audiovisuelle Live-Streams von Konzerten: Hier führen die Berliner Philharmoniker, sonst aber wird munter geschnarcht – so auch bei den Rundfunk-Ensembles.

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