Der Kettensägen-Raucher

Man macht auf Lärm, aber es bleibt Müdigkeit: Der finnischen Grusel-Rocker HIM scheitert in der Elserhalle
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Man macht auf Lärm, aber es bleibt Müdigkeit: Der finnischen Grusel-Rocker HIM scheitert in der Elserhalle

Markiges Schreien gehört beim Hard-Rock zum guten Ton. Ville Valo, androgyner Frontmann der „Love Metal“-Band HIM, will in der ausverkauften Elserhalle diesem Image gerecht werden – und scheitert. Statt mit melancholischer Grabesstimme ins Mikro zu säuseln, fängt er an zu brüllen. Dabei bringt er lediglich ein kurzatmiges Krächzen hervor, dass auch nach dem zehnten Versuch nicht mehr Volumen bekommt. Scheinbar selbst unzufrieden, wendet er sich immer wieder vom Mikrofon ab, diskutiert mit Bandkollegen und zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Mit seinem abwesenden Blick, dem torkelnden Gang und vernuschelten Ansagen erinnert er stark an den Skandalrocker Pete Doherty.

Valos verzweifelte Stimmbemühungen sollen wohl der Zerstörung des eigenen Images dienen. HIM geht der Ruf einer kitschig-glatten Gothic-Band für die Masse voraus. Bereits auf ihrem letzten Album „Venus Doom“ schlugen die finnischen Superstars aber deutlich härtere Töne an. Nun setzen sie diese Entwicklung auf der Bühne um. Auf das Schlagzeug wird eingeprügelt und auf eingängig-harte Gitarrenriffs gesetzt. Doch dieser routiniert vorgetragene Lärmteppich führt dazu, dass die einzelnen Songs kaum mehr zu unterscheiden sind. Auf Balladen wie „Summer Wine“ – Vallos Erfolgspaarung mit Uschi Obermaier-Darstellerin Natalia Avelon – wird sogar völlig verzichtet.

HIMs Markenzeichen, ein effektiv-minimalistischer Keyboardeinsatz, gepaart mit Vallos Gruselstimme, geht weitgehend unter. Selbst ihr größter Hit, die Selbstmörder-Mitsing-Hymne „Join Me“, verliert ihren sphärisch-düsteren Glanz. Darüber täuscht auch ein wahres Feuerwerk an bunten Lichteffekten nicht hinweg. Das breitgefächerte Publikum – vom schmachtenden Teenie bis zum Alt-Rocker – wirkt nach dem eineinhalbstündigem Auftritt ohne Zugabe eher ermattet als begeistert. Die Stimmung passt zum neo-expressionistischen Porträt, das meterhoch hinter der Bühne thront. Dort blickt mit müden Augen eine Frau auf ihr Publikum. Dieser Blick wurde an diesem Abend erwidert. Florian Koch

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.