Der Häuptling ist tot, es lebe der Häuptling!
Heute vor 135 Jahren starb Winnetou durch den Schuss eines Sioux – jedenfalls so ungefähr
Die ganz Großen können gar nicht wirklich sterben. Zwar haben Teenie-Jahrgänge in den 70ern kollektiv geheult, als Pierre Brice den Filmtod als Winnetou starb, doch das ZDF lieferte fast 30 Jahre später mit „Winnetous Rückkehr“ den Beweis, dass Karl Mays Häuptling der Apachen den Todesschuss eines Sioux-Indianers wundersam überlebt hat und inzwischen als nachdenklicher alter Mann in den Bergen lebt.
Schließlich ist auch Elvis nicht wirklich am Vanilleeis zugrunde gegangen, sondern wird immer mal wieder als freundlicher Tankwart in Texas gesichtet – und der Unfall von James Dean war gar nicht tödlich, sondern eine Inszenierung der Mafia. Außerdem dürfen wir hier exklusiv vermelden, dass Michael Jackson sehr bald auferstehen wird.
Rätselhaft wie eine Schatzkarte
Sehr wohl sterben dürfen hingegen Romanfiguren, sofern die Autoren das wollen und sich dazu entscheiden können. Aber mit Karl May und Winnetou ist das so eine Sache. Dass Winnetou überhaupt erst mal stirbt, kann man im Band „Winnetou III“ nachlesen: Der Häuptling und seine Kampfbrüder versuchen Menschen zu retten, die von fiesen Zugräubern und gemeinen Sioux-Indianern verschleppt wurden, dabei wird Winnetou am Berg Hancock auf das Hinterlistigste erschossen. Obwohl er tot ist, gibt es aber „Winnetou IX“, in dem der inzwischen very Old Shatterhand als Friedensstifter unterwegs ist.
Doch wann und wie genau der berühmteste aller fiktiven Indianer starb, dazu sind die Angaben so widersprüchlich und rätselhaft wie Schatzkarten im Wilden Westen. 1897 soll Karl May sich jedenfalls dahingehend geäußert haben, es sei kein Indianer gewesen, der geschossen habe, sondern ein „weißer Rowdy“.
Die Verwirrung geht bei der Frage nach Winnetous Alter weiter. 1878 schrieb Karl May in der ersten Erwähnung seiner Figur: „Er schien im Anfange der fünfziger Jahre zu stehen.“ 1894 teilte May aber in einem Brief an einen Fan mit, Winnetou sei im Alter von 32 Jahren gestorben, als Datum hatte er bis dahin mehrmals den 2. September genannt.
Der Todestag ist aber genauso volatil: 1898 schwenkte May bei einer Veranstaltung in Wien auf den 21. Februar um, bis er dann 1899 in einem weiteren Brief den letzten Atemzug seiner Figur abermals auf den 2.September 1874 datierte und als Geburtsjahr 1840 angab. An diese Angaben wollen wir uns jetzt mal halten (auch wenn größtmögliche Verwirrung für die Karl-May-Forschung natürlich viel spannender ist) und einen herzlichen Gruß zu den ewigen Jagdgründen der Fantasiemenschen schicken.
Wie lebendig Winnetou immer noch ist, hat ja schließlich Bully Herbig im „Schuh des Manitou“ vorgeführt. Dessen Winnetouch würde zum heutigen Gedenktag wohl nur meinen: „Bruder, magst an Prosecco?“
Michael Grill
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