Der Flötenschlumpf
Vor ungefähr 40 Jahren passte der Song „Living In The Past” bei einem Jethro Tull-Konzert genau so gut als Opener wie heute. Damals, weil er gerade in den Hitparaden war. Und heute, weil ein Tull-Konzert eine Reise in die Vergangenheit sein muss. Neue Hits gibt es nämlich nicht. Trotzdem hatten die Fans im ausverkauften Circus Krone einen Riesenspaß.
Der Flötenschlumpf fängt an. Ton-, tritt- und tänzelsicher, das Spielbein immer wieder keck angewinkelt wie einst, bearbeitet Ian Anderson seine Querflöte, zeigt sich agil und sportlich wie immer, hüpft rum und gibt den Harlekin für Artrock-Fans. Wo einst eine gewaltige Mähne war, ist zwar heute ein Kopftuch – aber das darf sein, schließlich entwickeln wir uns alle weiter.
Musikalisch aber bleibt es fast notengenau bei den alten Arrangements. Jethro Tull zelebrieren ihre Musik aus Rock, Folk, Klassik und ein bisschen Jazz als museales Kleinod, deuteln auch im Nachhinein kaum an ihr herum. „Thick As A Brick”, „Farmer On The Freeway”, „Mother Goose” und „Heavy Horses” klingen also fast so wie von der Platte, nur bei Bachs „Bourree” baut man ein neues Intro und ein paar Schnörkel dazu. Das Bühnengeschehen gehört Ian Anderson allein. Lediglich Gitarrist Martin Barre tritt hin und wieder neben ihn in den Vordergrund, bei bestimmten Soli. Der Rest der Truppe versteht sich als Begleitband.
Aber die funktioniert präzise und punktgenau, gerade bei den schnellen Tempowechseln und den vielschichtigen mystischen Klangbildern. Zum Schluss jedoch wird's richtig rockig. „Aqualung” und des unvermeidliche „Locomotive Breath” sorgen für Stimmung. Und alle sind mehr als zufrieden.