Der Fixstern im Universum des Koloraturgesangs

Edita Gruberova verabschiedete sich mit einer konzertanten Aufführung von Verdis "La traviata" im Gasteig triumphal von der Rolle der Violetta.
von  Abendzeitung

Edita Gruberova verabschiedete sich mit einer konzertanten Aufführung von Verdis "La traviata" im Gasteig triumphal von der Rolle der Violetta.

Bekanntlich ist die Philharmonie kein sonderlich gesangsfreundlicher Ort. Aber es gibt Abende, an denen die Kunst über die widrige Akustik des Kulturbunkers am Isarhochufer triumphiert. Wenn Edita Gruberova mit gleißenden Tönen den Riesenraum flutet und die Stimme im nächsten Moment gleich wieder zum zarten Rinnsal bändigt, wirkt der Gasteig für diese Jahrhundertstimme fast zu klein.

Im Universum des Gesangs, das Stars massenweise wie Meteoriten rasch verglühen lässt, gleicht die Beständigkeit der Gruberova einem Fixstern: Vor 42 Jahren sang sie in der slowakischen Kleinstadt Banská Bystrica ihre erste Violetta. Beim konzertanten Abschied von dieser Rolle im ausverkauften Gasteig kam dennoch keine Trauer auf: Für München studiert die Sängerin derzeit als neue Rolle die Titelpartie in Bellinis „La straniera“ ein, mit der sie im Juli 2012 zurückkehren wird.

Schwächen in Stärken umgemünzt

Die fahl gewordene Mittellage, die sich bei Donizettis „Lucrezia Borgia“ und ähnlich königlichen Belcanto-Rollen trefflich als Mittel der Charakterisierung einsetzen lässt, passt bei der jugendlichen Violetta eigentlich weniger. Aber der Hauch des Todes, der sich beim ersten Blick in den Spiegel über die Kameliendame legt, wirkt als Interpretation völlig zwingend. Der brillante Anteil der Rolle gelingt der Gruberova gewoht souverän, auch wenn sie die großen Melodiebögen etwas kleinteilig phrasiert. Aber die kunstvolle Zurücknahme im ganz als Erinnerung verstandenen „Addio del passato“ wird sich lange ins Gedächtnis einbrennen.

Auch Paolo Gavanelli erfreute als Germont in alter Frische: Wunderbar, wie er kraftvolle Wärme und geschmackvoller Zurücknahme im „Di Provenza il mar“ verbindet. Aber der Jubel galt nicht nur den Veteranen, sondern auch Pavol Bresliks Rollendebüt als Alfredo. Die Verbindung aus lyrischer Emphase, sorgfältiger Gestaltung ist für diese Rolle ebenso ideal wie das gute Aussehen des jungen Slowaken. Zu erwähnen, dass er den Spitzenton seiner Arie verpatzte, gebietet die Chronistenpflicht. Den Gesamteindruck beeinträchtigte es keineswegs.

Die Begleitung übernahmen Freischaffende aus lokalen Großklangkörpern unter dem Namen „Münchner Opernorchester“. Dessen tiefes Blech röhrte unangenehm derb, und Marco Armiliato kapellmeisterte Verdis Leidenschaftsoper ohne jenes heilige Feuer, das die Solisten beseelte. Aber das gehört bei solchen Gesangsfesten irgendwie dazu. Leider.

Robert Braunmüller

Wieder am 17. 12., 19.30 Uhr im Gasteig (Karten Tel. 0180 / 54 81 81 81) sowie am 21. 12 in Wien

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