Der dritte Mann
Der Brite Kenneth Branagh spielt in den neuen Mankell-Verfilmungen den Kommissar Kurt Wallander und kennt seine Vorgänger nicht
Den deutschen Fernsehzuschauern werden die Fälle bekannt vorkommen, nicht aber der Kommissar Wallander. In drei Neuverfilmungen von Romanen des schwedischen Krimiautors Henning Mankell, die die ARD am diesjährigen Pfingstwochenende ausstrahlt, spielt der Brite Kenneth Branagh den Ermittler.
AZ: Herr Mankell, drei Wallander-Romane wurden nun zum dritten Mal verfilmt. Was unterscheidet die neuen Filme von den vorherigen?
HENNING MANKELL: Kenneth Branagh ist, wie auch die schwedischen Schauspieler in den Verfilmungen zuvor, ein wirklich toller Schauspieler. Er hat mir in seiner Interpretation des Charakters Kurt Wallander viele Dinge über die Person und die Geschichten erzählt, die ich bislang selbst nicht vermutete.
Herr Branagh, was ist typisch für Ihren Wallander?
KENNETH BRANAGH: Ehrlich gesagt, habe ich mir die anderen Wallander nicht angeschaut. Ich wollte mich nicht beeinflussen lassen und dann denken: „Oh Gott, so also muss ein echter schwedischer Kommissar sein.“ Ich habe in den Romanen einen Mann mit offener Wunde entdeckt. Jedes Verbrechen scheint ihn persönlich zu treffen. Er stellt eine Verbindung zwischen diesen Verbrechen und seiner Verzweiflung über sein Heimatland Schweden und seine Enttäuschung in die Menschheit an sich.
Wallander wirkt in Mankells Büchern oft depressiv. Haben Sie sich am Set auch so gefühlt?
KENNETH BRANNAGH: Ich hatte mich vor Drehbeginn entschieden, die meisten Wochenenden in England zu verbringen – das hat geholfen. Ich habe bemerkt, wenn ich auch am Wochenende in Schweden geblieben bin, war das zu viel Wallander. Ich habe es fünf Tage die Woche sehr genossen, ein südschwedischer Kommissar zu sein, aber Wallander ist ein Charakter, von dem man hin und wieder ein bisschen Abstand braucht. Wallander ist ein Mann, der sich sehr viele Sorgen macht und sehr mitfühlt.
Wie viel Kurt Wallander steckt in Henning Mankell – oder andersherum?
HENNING MANKELL: Zum einen haben wir exakt das gleiche Alter. Zweitens sind wir beide absolute Liebhaber italienischer Opern. Die dritte und letzte Ähnlichkeit ist, dass wir beide sehr viel arbeiten. Außer diesen drei Dingen haben wir sehr wenig gemein. Wenn Wallander eine leibhaftige Person wäre, wären wir wohl keine Freunde geworden, weil wir doch ziemlich unterschiedliche Charaktere sind.
1990 wurde der erste Wallander-Roman „Mörder ohne Gesicht“ veröffentlicht. Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie die Idee für Wallander hatten?
HENNING MANKELL: Ja, sehr gut sogar. 1989 kam ich zurück nach Schweden, nachdem ich viel Zeit in Afrika verbracht hatte. Normalerweise lebe ich drei bis vier Monate in Afrika. Aber damals war ich über ein Jahr nicht in Schweden. Nach meiner Rückkehr war ich besorgt über die starke Zunahme von Fremdenhass. Ich wollte darüber schreiben und entschied mich, eine Kriminalgeschichte zu machen. Und so wurde Kurt Wallander geboren. Seinen Namen habe ich aus dem Telefonbuch von Malmö.
Erinnern Sie sich denn noch an Ihr erstes Mankell-Buch?
KENNETH BRANAGH: Ich glaube, es war der erste Wallander-Krimi „Mörder ohne Gesicht“. Danach habe ich sie alle gelesen. Ich mag an den Büchern, wie es Henning Mankell gelingt, große politische und soziale Themen, eine Debatte über das heutige Schweden, mit Wallanders Gedanken und den Verbrechen zu verknüpfen. Die Bücher sind vermittelnd und reflektierend zugleich, einfach großartig.
Vor allem „Die falsche Fährte“ ist eine ziemlich brutale Geschichte. Wie wahrt man da als Schauspieler Distanz?
KENNETH BRANAGH: Das ist wirklich eine aufwühlende Geschichte, vor allem zu Beginn: Ein 15 Jahre altes Mädchen zündet sich selbst an. Wallanders Reaktion auf dieses Verbrechen war der entscheidende Moment für mich, um zu wissen, wie ich ihn spielen muss – er kann kaum damit umgehen und kaum weiter an dem Fall arbeiten. Er steigert sich mehr in den Fall hinein, als es für einen Polizisten gut ist, er steht die ganze Zeit kurz davor, zusammenzubrechen. Das macht ihn verletzlich. Es ist, als fehle ihm die oberste Hautschicht.
Kenneth Branagh hat gesagt, Sie und er hätten sich zum ersten Mal bei einer Gartenparty auf der Toilette getroffen.
HENNING MANKELL: Ich glaube, wir haben uns zum ersten Mal auf Farö getroffen, der Insel, auf der Ingmar Bergman vor seinem Tod gelebt hat. Aber es gibt ein viel skurrileres Treffen: Kenneth war vor den Dreharbeiten in Ystad, um sich mit der Atmosphäre vertraut zu machen. Während er durch die Stadt lief, traf er den schwedischen Schauspieler Krister Henriksson, der Wallander in den Fernsehenfilmen spielt – eine surrealistische Situation.
Daniel Staffen-Quandt
„Die falsche Fährte“ (29. Mai, 21.45 Uhr), „Die Brandmauer“ (31. Mai, 21.45 Uhr), „Mittsommermord“ (1. Juni, 21.45 Uhr), alle ARD