Der Chef schrubbt selbst
Der 83-jährige Konzertveranstalter Georg Hörtnagel spielt am Dienstag wieder einmal das "Forellenquintett" von Franz Schubert - vielleicht zum letzten Mal.
Er ist einen Monat älter als Papst Benedikt und in seinem Fach von vergleichbarer Autorität: Georg Hörtnagel, Senior unter Münchens Konzertveranstaltern, hat in 700 Aufführungen von Schuberts "Forellenquintett" den Kontrabass gestrichen und in zehn Aufnahmen mitgewirkt. Am Dienstag greift der 83-Jährige wieder zum Instrument.
AZ: Herr Hörtnagel, haben Sie denn heute schon geübt?
GEORG HÖRTNAGEL: Ja, vor allem wegen der Kondition. Beim Kontrabass braucht man Kraft. Nur dann klingt es schön und locker zugleich. Eigentlich wollte ich nicht mehr spielen, weil es sonst heisst, der Alte kann nicht aufhören.
Warum steht N.N. auf den Plakaten und nicht ihr Name?
Eigentlich sollte Roman Patkolo spielen, ein fabelhafter junger Bursche. Aber er hat abgesagt. Das ärgert mich, weil seinetwegen das "Forellenquintett" angesetzt wurde. Man hat mir einige Kontrabassisten vorgeschlagen, die ich aber nicht wollte. Daher spiele ich selbst - vielleicht zum letzten Mal.
Wie kamen Sie zum Kontrabass?
Ich bin zufällig in München geboren, aber als Bauernsohn im Allgäu aufgewachsen. Am Dorf habe ich früh Akkordeon gelernt, später Orgel, Geige und Cello. Ein Gymnasialprofessor in Mindelheim bestärkte mich, aufs Konservatorium zu gehen. Mein Vater war strikt dagegen. Während des Kriegs war er fort. Mit 14 machte ich heimlich die Aufnahmeprüfung. Ich wollte Geige studieren, aber der Direktor meinte, meine Pratzen wären zu gross und schickte mich zu einem Kontrabass-Lehrer. Einen Tag pro Woche war ich dann in Augsburg, den Rest der Woche Bauer.
Später spielten Sie im Bayerischen Staatsorchester.
Nach der Kriegsgefangenschaft studierte ich an der Münchner Hochschule. Geld verdiente ich mit Jazz. Mein Professor wollte mich aus den Nachtclubs rausholen. Er schickte mich zu einem Probespiel. Ich setzte mich gegen 16 Bewerber durch, und der Generalmusikdirektor Georg Solti engagierte mich 1948, kurz vor meinem 21. Geburtstag.
Warum wurden Sie Veranstalter?
Nach 18 Jahren im Orchester verletzte ich mich an der Hand. Ich konnte fünf Jahre nicht spielen. Aus der Wohnküche heraus habe ich dann die Agentur aufgebaut, mit der Hilfe meiner Frau, die 1980 mit meinem Sohn bei einem Unfall ums Leben kam.
Wer waren Ihre Lieblingspartner bei der "Forelle"?
Ich habe das Stück 50 Jahre gespielt, auch mit dem Amadeus Quartett oder Menahem Presslers Beaux Arts Trio. Eine Wonne war es mit dem Borodin-Quartett und Svjatoslav Richter. Der beste "Forellen"-Pianist war für mich jedoch Benjamin Britten.
Worauf kommt es in der "Forelle" beim Bass an?
Ich war nie der Schönste und Beste, aber kein Langweiler wie mancher Orchestermusiker. Der Bass darf nie dominieren, muss aber zur rechten Zeit gegenwärtig sein.
Wer sind morgen Ihre Partner?
Der Bratschist Christophe Gaugue und das Trio Wanderer - lauter Franzosen. Ich traue ihnen zu, die Nachfolge des legendären Beaux Arts Trios anzutreten. Wir spielen erst im Bibliothekssaal von Polling und feilen noch vor dem Auftritt im Herkulessaal.
Was ärgert sie am heutigen Konzertbetrieb?
Es gibt derzeit so viele begabte junge Musiker wie lange nicht: Denken Sie an die drei Münchner Geigen-Grazien Julia Fischer, Arabella Steinbacher und Veronika Eberle. Aber wenn die auftreten, kommen keine fünf Studenten von der Musikhochschule.
Robert Braunmüller
Trio Wanderer mit Christoph Gaugue und Georg Hörtnagel: Haydn, Faure, Schubert "Forellenquintett": Herkulessaal, Dienstag, 20 Uhr